Ein Mensch – Zwei Welten. Wie das Leben mit der Depression mich verändert hat und noch verändert.

Wie das Leben mit der Depression mich verändert

Ich war ein Mensch der mit beiden Beinen fest im Leben stand. Ich nahm alle Herausforderungen des Lebens an. Geht nicht - das gibt es nicht, war meine Überzeugung. Ich habe immer versucht perfekt zu sein, es allen Recht zu machen. Ich habe Mann, 2 Kinder, Haushalt und Job bewältigt. Ich war ein lebenslustiger Mensch, der gern lachte, seine Familie achtete, seine Kinder liebte, gern unter Menschen war, gern mit Menschen gearbeitet hat. Ich war immer mit dem ganzen Herzen dabei. Ich habe gekämpft und was ich hatte, hatte ich allein geschafft. Ich lebte und war zufrieden.

 

Mein Job wurde schlimmer und schlimmer. Immer mehr Arbeit, immer mehr Stunden, immer weniger Freizeit. Ich arbeitete, innerlich schon längst gekündigt, doch ich hatte keine Wahl. Immer mehr und alles perfekt. Ich verlor meine Ideale von sozialer Arbeit, von Wertschätzung und Achtung des Ehrenamtes und vom Nutzen meiner Arbeit. Ich ging auch in der Familie durch Krisen. Schon lange war das Hamsterrad mein zu Hause, doch noch immer hatte ich ein Lächeln im Gesicht und war voll Power. Die Maske saß. Dann Burnout, mein Mann stieg aus. Ich stand, ich kämpfte, ich funktionierte. Nach einem Jahr hatte er es geschafft. Gesund, munter und fröhlich kam er aus der Reha. Er hatte es geschafft. Nun war ich am Ende aller meiner Kräfte.

 

Ich ging zum Arzt und als er fragte wie es mir geht, brach ich in Tränen aus. Nichts ging mehr.

Krank geschrieben, freute sich mein Kopf und schaltete alle Lichter aus. Mein ganzes Leben, alle Krisen kamen an die Oberfläche und brachen über mir zusammen. Es wurde dunkel, sehr dunkel und die Angst kroch in meinen Körper. Es folgten Wochen in denen ich auf der Welt anwesend war, aber nichts wahrnahm. Ich saß auf dem Sofa, ging abends irgendwann ins Bett, um am nächsten Tag wieder auf dem Sofa zu sitzen. Ich war ein großes leeres Nichts. Ein Gar Nichts. Krankenhaus, Tagesklinik und Rehaeinrichtung bestimmten dann eine Zeit mein Leben. Sie holten mich aus dem Nichts.

Seit her lebe ich mit der Depression. Ich bin ein völlig anderer Mensch.

 

Heute lebe ich sehr zurückgezogen. Am liebsten bin ich in meinem Schneckenhaus, ganz für mich allein. Ich brauche morgens 2-3 Stunden um in den Tag zu kommen. Termine lege ich mir nie vor 12.00 Uhr, um früh um 6.00 Uhr aufzustehen und bis dahin fertig zu sein. Ich bin Antriebs- und Kraftlos, so dass alles seine Zeit braucht, bis ich es bewältigen kann. Was ich heute nicht schaffe wird eben morgen, oder übermorgen …

Ich habe keine Gefühle mehr. Ich kann mich nicht freuen, nicht weinen, nicht ärgern, nicht wütend sein. Ich bin Lustlos und immer Interessenlos. Ich bin einfach nur leer. Ich kämpfe sehr sehr oft mit Niedergeschlagenheit, Schuldgefühlen, Ängsten vor zu hohen Erwartungen. Ich kann mich selbst absolut gut zerfleischen. Meine Gedanken kreisen ständig darum nicht gut genug zu sein, ständig zu versagen, nichts im Leben auf die Reihe zu bekommen, nichts richtig machen zu können, nicht liebenswert und wertlos zu sein.

 

Alle Dinge die ihr einfach so macht oder euch gönnt, ohne groß darüber nachzudenken, sind für mich einfach nur anstrengend und machen keinen Spaß.. Oft ist jeder Schritt zu viel. Ich meide Musik, weil sie mich nervt. Ich meide Menschen. Ich habe Schwierigkeiten mit der Konzentration und der Merkfähigkeit. Alle was mich bewegt, belastet lässt meine Beine wackeln. Bin ich überfordert kommen die Panikattacken oder Dissoziationen.

 

Depression, ja sie hat auch gute Seiten.

 

Ich lerne mich selbst anzunehmen, mich selbst zu lieben. Ich habe gelernt NEIN zu sagen. Ich lerne die Kleinigkeiten, die schönen Momente zu sehen und zu achten. Ich brauche mich nicht mehr verbiegen. Ich bin wie ich bin. Ich habe nur noch Menschen um mich, die mich nehmen wie ich bin und mich wertschätzen.

Ich habe 120 Stunden Therapie absolviert auf meinem Weg.

Ich habe den besten Ehemann der Welt. Er gibt mir Liebe und Halt, ist für mich da.

Ich habe noch einen langen Weg vor mir. Ich kämpfe mit kleinen Schritte um mit der Depression besser leben zu können.