Als die Angst kam. Als die Angst zu versagen, es nicht zu schaffen mich ruhelos trieben.

Als die Angst kam

Weihnachten, die ersten Wochen zu Zweit. Die ersten Zweifel, die ersten Tränen.

Dann überrollte mich das Leben, einfach so.

Die heile Welt die ich erwartete war ein unendliches Chaos, eine Abhängigkeit die ich nicht verstand.

Ein Berg Schulden und doch die Zuversicht – alles wird gut. Ich sah den Berg. Ich blieb.

Ein guter Mensch an meiner Seite, der nicht wusste was Leben ist.

Der seine Träume nicht kannte, der gab obwohl er nichts mehr hatte,

der sich benutzen lies und es nicht bemerkte.

Ein guter Mensch der einfach vegetierte und froh war das er mich fand.

Ein guter Mensch der sich an mich lehnte, mit ganzem Gewicht

und nicht wahrnahm wie es mir dabei ging.

Ich wollte nicht immer und immer wieder die Mahnungen sehen,

nicht immer bangen ob mein Geld für uns zwei noch reicht.

Ich wollte nicht an 5 Tagen der Woche die Enkelkinder betreuen.

Ich wollte nicht hier und dahin, nicht das „PAPA“-Geschrei und dauernd auf Abruf sein.

Ich wollte nicht immer die Dumme sein, nicht in zehnter Reihe stehn.

Ich wollte nicht die Heimlichkeiten und das dumme Geplauder im Keller.

Ich wollte ihn nicht ständig schlafen sehen.

Ich wollte nicht immerzu reden und wissen wie´s geht.

Ich wollte nicht meine Wohnung aufgeben, nicht den Kredit aufnehmen.

Ich wollte Ruhe und Miteinander, ein neues Leben zu Zweit.

Ich wollte Sex, wann ich ihn brauchte.

Ich wollte Halt, mich anlehnen können und Zeit zu Zweit.

Ich wollte Sicherheit und ohne Geldsorgen leben.

Ich wollte einen Mann der mit mir redet, mir zuhört und mich versteht.

Ich wollte einen Mann der zu mir steht.

Doch das Leben überrollte mich.

Aber wohin in meiner Not.

Ich hatte niemanden dem ich alles erzählen konnte, niemanden der mir zuhörte und

niemanden den ich fragen konnte.

Ich hatte kein Zuhause mehr. Es gab kein zurück, nur irgendwie vorwärts.

Ich war gefangen, gefangen in meinen eigenen Entscheidungen.

Da war die Angst!

Angst mir einzugestehen, wieder den falschen Mann zu lieben.

Angst vor den unbezahlten Rechnungen und Mahnungen.

Angst mein Leben endgültig in den Sand gesetzt, versagt zu haben.

Angst zurück zu gehen, noch einmal von vorn zu beginnen.

Angst vor den Eltern und den Kindern.

Angst mich selber völlig zu verlieren, den Weg nicht mehr zu finden.

Angst von dem Gerede der Kollegen, Angst die Arbeit zu verlieren.

Angst den Anforderungen der Arbeit nicht mehr gerecht zu werden.

….

Ich blieb, in der Hoffnung er wird lernen, in der Hoffnung es wird besser, in der Hoffnung meiner Liebe.

Ich kämpfte.

Als die Angst blieb

Neue Wohnung – neue Glück?

Ein neuer Anfang, doch all die Sorgen blieben.

Noch immer war er auf Abruf, noch immer kommandierte die Tochter.

Nicht mehr so oft, aber immer wieder.

Wir lebten zusammen und doch nicht zusammen.

Er ging seinen Weg und ich, ich war irgendwie da.

Er liebte mich, doch ich war in seinem Leben nicht drinn.

Er hatte gelernt durchs Leben zu gehen ohne links und rechts zu schauen.

Er lebte so weiter und ich, ich war einfach nur da.

 

Doch manchmal da erinnerte er sich, an das was Liebe war.

Doch manchmal war er so nah bei mir, wie niemand vorher.

Doch manchmal überraschte er mich.

Doch manchmal hatte er auch Zärtlichkeit im Sinn.

Doch manchmal? Manchmal war mir zu wenig.

 

Meine Seele schrie, doch niemand hörte die Schreie.

Mein Körper sehnte sich, doch niemand nahm die Sehnsucht war.

Arbeit – Arbeit –Arbeit war jetzt sein Leben.

Er war immer im Dienst, im Urlaub, am Wochenende und nachts.

Er war nur noch aktiv, wenn es um Arbeit und Kinder ging.

Und ich? Ich war einfach nur da.

Es wurde immer schlimmer, alle Grenzen ausgesetzt.

Ich hörte mich reden, doch mit wem?

Er hörte nicht zu, hatte anderes im Sinn und ging seinen Weg, allein ohne mich.

Er schlief unkontrolliert, überall und jeden Abend.

Oft lag ich neben ihm und weinte, doch er schlief.

Oft sehnte ich mich nach Zärtlichkeit und Liebe, doch er schlief.

Oft wollte ich mit ihm reden, doch er schlief.

Oft fragte ich mich ob ich das wollte, doch ich blieb.

Oft klangen seine Worte so schön, doch nichts davon passte in unser Leben.

Ich war einfach nur da.

 

Mein Leben, es raste dahin und die Angst blieb.

Angst er könnte auf Arbeit einen Herzinfarkt haben.

Angst er könnte auf der Autobahn verunglücken.

Angst ich würde allein zurückbleiben.

Angst nicht mehr die Kraft zu finden weiter zu kämpfen.

Angst dass meine Liebe stirbt.

Angst es nicht mehr auszuhalten, doch wohin sollt ich gehen?

Angst den Alltagsaufgaben und Arbeitsanforderungen nicht mehr gewachsen zu sein.

Angst …

 

Als die Angst heiratete

Ein wunderschönes Silvester in Hamburg.

Es lag was in der Luft. Sein Gesicht lächelte vielsagend.

Unsere Liebe war zu spüren.

Hochzeitspläne schwirrten in seinem Kopf.

Willst du mich heiraten, fragte er im April.

Meine Antwort, ohne zaudern, ja ich will.

Wollte ich ihn wirklich heiraten?

Noch immer fühlte ich mich bei ihm nicht zu Hause.

Zweifel nagten in mir.

Er liebte mich, ja ganz bestimmt!

Doch ich war nicht in seinem Leben drinn.

Es gab kein zurück, nur vorwärts irgendwie.

Es war sein Traum. Meiner auch?

Noch immer lag ich nachts wach und weinte, doch er schlief.

Noch immer redete ich, aber nur mit der Wand.

Noch immer sehnte ich mich nach Zärtlichkeit und Liebe.

Noch immer liebte ich ihn.

 

Am Tag der Hochzeit wusste ich genau, ja ich liebe ihn!

Ja, es war die richtige Entscheidung.

Ja, es würde besser werden.

Ja, wir würden beide glücklich werden.

Ja, wir würden eine Zukunft haben.

Die Angst blieb.

 

Angst, die falsche Entscheidung getroffen zu haben.

Angst, die Hochzeit war falsch.

Angst, er würde nie begreifen was Leben ist.

Angst, mich ganz zu verlieren.

Angst, die Arbeit zu verlieren.

Angst…

 

Als die Angst starb

Ich war am Ende, doch ich stand.

Ich war am Ende, doch ich kämpfte.

Ich war am Ende und die Tränen versiegten.

Ich war am Ende und es wurde kalt.

Die Arbeit fraß mich auf. Immer mehr und immer mehr.

Keine klaren Linien und Kompetenzen.

Gerede, Missgunst und Hinterhältigkeit bestimmten den Tag.

Telefone klingelten ohne Pause, Besucher kamen und die Mitarbeiter fragten,

Terminabgaben, Termine und Feste bestimmten die Tage.

Bestimmten mein Leben und fraßen meine Kraftreserven.

 

Ich hatte keine Kraft mehr zu reden, für ihn da zu sein.

Ich hatte keine Kraft mehr seine müden Augen zu sehen, nur neben ihm zu stehen.

Ich hatte keine Kraft mehr für sein Reden, das nicht zu dem passte was wir lebten.

Ich hatte keine Kraft mehr zu gehen und neu an zu fangen.

Ich hatte keine Kraft mehr für mein Leben.

6 Wochen Kur für ihn, zur Genesung und Zeit für mich allein.

6 Wochen nur meine Arbeit und zu Hause keine Pflichten.

6 Wochen mit ihm telefonieren, doch sich nichts zu sagen haben.

6 Wochen warten auf endlich ein Wort von ihm – „ich verstehe dich“.

6 Wochen nur – „wenn ich nach Hause komme, dann reden wir“.

6 Wochen die Hölle auf Erden.

6 Wochen und die Gewissheit, nichts wird sich ändern.

6 Wochen und alles wurde immer schwerer.

6 Wochen und mein Körper wurde immer schwächer.

6 Wochen und meine Nerven streikten.

 

Endlich war er wieder da.

„Wir reden später“, sagte er.

„Du brauchst Hilfe“, sagte meine Mutter.

„Ich geh zum Arzt“, sagte ich.

„Vielleicht waren sie nie in seinem Leben drinn“, sagte die Ärztin.

Dann gingen die Lichter aus. Die Depression schlug zu.

Meine Angst starb.

Meine Kraft versiegte.

Meine Sehnsucht verflog.

Mein Kampf endete.

Meine Welt wurde klein und grau.

Mein Leben starb.

Das einzige was blieb; ich wollte mein Leben zurück.

Ich suchte und fand Hilfe, ein Glück.