Gestern, dachte ich über den Tod nach

Gestern, dachte ich über den Tod nach

 

Damals,

als ich weinend über die Bahngleise irrte,

Gott mir keinen Zug schickte,

es war niemand da der mich hielt,

sehnte ich mich nach dem Ende,

dann wär alles vorbei.

Doch da war das neue Leben in mir,

es strampelte und klopfte in meinem Bauch,

es wollte leben, es sollte leben, ich wollte leben.

Damals,

als ich am Boden lag,

er mich schlug und mich beschimpfte,

es war niemand da, der mich hielt,

sehnte ich mich danach, es wär vorbei.

Doch da war das Kind,

dass still in der Ecke saß und spielte,

es brauchte mich, ich musste leben, ich wollte leben.

 

Damals,

als nach 15 Jahren Ehe der Tag kam,

an dem er einfach weg war, ohne ein Wort.

Alle Antworten versagte, mich einfach ablegte.

Die Kinder ihren eigenen Weg gingen.

Es war niemand da, der mich hielt,

sehnte ich das Ende herbei.

Doch da war die Sehnsucht – endlich sein,

endlich leben – endlich mein ICH finden.

Ich wollte leben.

 

Damals,

das neue Glück noch so jung,

als er mich nie sah, als er mich übersah,

als er um seine Existenz, seine Gesundheit kämpfte

als ich nicht in seinem Leben war,

als mich der Schmerz der Einsamkeit hart traf,

als keine Tränen mehr da waren,

als es für mich kein Zurück gab, wohin sollte ich gehen

es war niemand da der mich hielt,

er wurde gesund und ich zerbrach.

Doch da war er, er dieser gute Mensch,

den ich über alles liebte. Ich wollte leben.

 

Damals,

als das neue Glück mir keine Kraft mehr gab.

Die Arbeit mein Leben zerriss,

mir alle Illusionen nahm,

mir zeigte, dass der Mensch nur eine Ware ist,

mir zeigte, wie Ehrenamt missbraucht und ausgebeutet wurde,

Menschen im Job nur zu funktionieren hatten.

Doch da waren Menschen, die sich engagierten mit Herzblut

und Nächstenliebe, mit Wertschätzung und Anerkennung.

Sie konnten mich nicht mehr halten.

Es wurde alles unerträglich.

Ich sah kein Licht mehr am Horizont.

Es wurde dunkel.

 

Ich brauchte Hilfe, fand Hilfe.

Doch ich wusste es gab ein anderes Leben.

Ich wollte es finden, ich wollte leben.

 

Gestern,

da dachte ich über den Tod nach.

Es wäre alles vorbei.

Diese Leere in mir, dieser Gefühlstot,

diese Antriebslosigkeit, dieses Nichtkönnen,

diese Selbstzweifel, diese Selbstvorwürfe,

dieses Schneckenhausleben.

Würde es ihm dann nicht besser gehen,

er könnte dann glücklich sein und das Leben genießen.

 

Doch, ich würde

nie mehr an seiner Seite sein,

nie mehr seine Liebe spüren,

nie mehr mit ihm durch diese schöne Stadt schlendern,

nie mehr mit ihm nach Dänemark fahren,

nie mehr die schönen Stunden mit den Kindern erleben,

nie mehr wissen, wie es ist, wenn ich gesund würde.

 

Es ist jemand da, der mich hält.

Es ist jemand da, der mich liebt.

Es ist jemand da, der mich nimmt wie ich bin.

Es ist jemand da, der nicht ohne mich sein will.

 

NEIN! Ich möchte nie wieder seine Tränen sehen.

Nein! Es gibt auch noch ein anderes Leben.

Ich will leben, dafür will ich leben.