Ich wollte die „Welt“ retten – Ich wollte die „Welt“ verbessern

Ich wollte die „Welt“ retten – Ich wollte die „Welt“ verbessern

Ja, ich glaube ich habe viele Jahre, vielleicht so gar mein ganzes Leben, bis zu meinem Zusammenbruch so gelebt. Ja, ich glaube ich war eine Retterpersönlichkeit. 

 

Ich habe als Kind gelernt, mich einzuordnen, unter zu ordnen und vor allem anderen zu helfen. In meiner Erziehung stand immer das Gruppenwohlergehen im Mittelpunkt, selten das eigene Wohl. Wenn ich auf mich selbst geschaut habe, hieß es immer, sei nicht egoistisch. Ich glaube, ich habe nie gelernt, in mich selbst zu schauen, zu schauen was mir gut tut und entsprechend zu handeln. Ich war immer auf andere ausgerichtet.Schon früh, passte ich auf meine Geschwister auf. Übernahm die Aufsicht für die Nachbarskinder. Für die Oma neben an, ging ich einkaufen und für eine andere putzte ich die Treppe. Ich war die älteste von vier Kindern und war oft verantwortlich bzw. wurde verantwortlich gemacht für das Verhalten meiner Geschwister. „Du solltest doch auf sie aufpassen – du hast gespielt und deshalb ist passiert –. Ich war also egoistisch und deshalb war es passiert.  

 

 

 

Egal wo ich dann in meinem Leben hin ging, verfolgte mich dann, das gut gelernte Verhaltensmuster, sei für andere da. Es gab immer Menschen, denen ich zuhörte, ihnen half, sie unterstützte, wo ich konnte. Ich übernahm Ämterwege, Kinderbeaufsichtigung, verschob meinen Dienst, meinen Urlaub, arbeitete länger, fuhr nach Feierabend noch mal los, half beim Einkauf und putzen – egal ich richtet mich ein. Hörte ihre Sorgen und Nöte und war in so manchem Problem einfach mitten drin. So manches Desaster nahm ich, im Kopf, mit nach Hause, dachte darüber nach und hatte schlaflose Nächte. Je mehr Menschen in meinem Arbeitsleben auftauchten, je mehr geriet ich in diese Spirale. Für eigene Sorgen und Nöte war keine Zeit. 

 

Ich lebte mit einem Mann, der mit einem brutalem Vater groß geworden war, ich wollte ihm zeigen das es ein anderes Leben gibt. Er schlug mich auch und trotzdem wollte ich für ihn da sein, lange Zeit. Der andere Mann hatte ebenfalls eine schlechte Kindheit. Er setzte mich psychisch unter gehörigen Druck, bis ich ging. 15 Jahre lebte ich dann mit einem Mann, der nie Liebe kennen gelernt hatte. Ich konnte für ihn Sorgen, in jeder Hinsicht. Ich war mehr seine Mutter wie seine Frau, bis er eines Tages einfach verschwand. Ich stand da, mit zwei Kindern in der Pupertät, die auch so ihre Macken hatten. Mich fragte niemand, wie geht es dir. Ich stand da. Ich ging irgendwie weiter.

 

Ich bekam immer mehr soziale Projekte, hatte 600 Ehrenamtliche zu betreuen, traf auf viele Menschen mit unterschiedlichsten Lebenswegen und Problemen. Für alle hatte ich Zeit. Für alle war ich da. Jeder Zeit auf Abruf. Sie waren es wert und sie gaben mir auch viel zurück. Doch Tage an denen ich mit den Problemen anderer nicht zur Ruhe kam, nahmen drastisch zu. Tage an denen ich meinen eigenen Problemen hilflos gegenüberstand nahmen ebenfalls zu. Bossing und Mobbing, ich wurde ausgenutzt, benutzt und getreten. Ich war im Hamsterrad, arbeitete 60 Stunden in der Woche und war für alle und jeden da, nur für mich nicht. Ich ging irgendwo unterwegs verloren.Bis der 27.05.2011 kam, der Tag an die Depression ihre volle Stärke ausspielte und ich zusammen brach.

 

Heute lebe ich immer noch mit der Depression und bin inzwischen EU-Rentnerin. In der Therapie waren viele Stunden damit gefüllt, zu lernen in mich selbst zu schauen. Zu schauen wie es mir geht, zu schauen was ich möchte, zu schauen wohin mein Weg gehen soll und zu lernen Grenzen zu ziehen, das Wort NEIN zu lernen und anzuwenden. Es war ein langer Weg, den ich heute noch gehe. Noch immer gelingt es mir oft nicht, bei wichtigen Entscheidungen, in mich selbst zu schauen, eine Entscheidung zu treffen die mir selbst gut tut. Ich lerne immer noch, Entscheidungen nicht zu treffen, damit es meinem Mann gut tut, damit es meinem Mann oder den Kindern gefällt, weil ich denke das muss so sein oder weil es doch viele so machen.

Noch immer muss ich sehr aufpassen, Sorgen und Nöte von anderen, z.B. in der Selbsthilfegruppe, nicht zu nah an mich heran zu lassen, sie mir selbst anzunehmen.

Noch immer lasse ich mir schnell einreden, ich hätte einen Fehler gemacht, ich wäre nicht gut genug. Aber ich bin schon ein gutes Stück meines neuen Weges gegangen.

Grenzen ziehen ist überall wichtig. Es gibt so viele Dinge im Leben, die rücksichtslos getan werden, weil es doch schon immer so war, weil es die Familie so möchte, weil es doch alle machen, weil es andere so wollen, weil was werden sonst die Leute reden oder der Arbeitgeber es verlangt. 

 

Ich kann die Welt nicht retten und ich möchte sie auch nicht mehr retten. Aber ich kann man eigenes Leben retten. Wenn eine Entscheidung zu treffen ist, höre ich mir alles an, nehme mich zurück und treffe für mich eine Entscheidung, die mir gut tut. Natürlich spielen da auch andere Einflüsse eine Rolle, doch ich versuche ganz bein mir zu bleiben. Ich trage keine Maske mehr und lasse mich auch nicht mehr verbiegen. Ich gehe meinen Weg und an meiner Seite sind Menschen die mir gut tun, für die ich wertvoll bin. Ich kann noch immer für andere da sein, aber in Maßen und ohne mich selbst wieder zu verlieren.