Ich geh dann mal …. Ein Arztbesuch ist ein Hochleistung für mich und eine Belohnung wert

Ein Arztbesuch - Angstschweiß - Ich geh dann mal

Es muss auch mal etwas Neues in meinem Leben geben. Unerträgliche Schmerzen, im Ohr, beim Schlucken und auf Druck. So blieb mir keine Wahl, ich musste zum HNO-Arzt. Ich suchte mir eine Praxis, wohin ich den Weg kannte, wusste wie viele Straßenbahnstationen ich fahren musste und so ungefähr das Haus.

Mein Kopf spielte seine Spielchen – das schaffe ich nicht – ich komme bestimmt nicht dran – das geht doch von allein wieder weg – ich bin so müde – ich geh morgen …

Der Angstschweiß floss in den Strömen und ich wäre am liebsten in den Boden versunken. Doch ich musste los, ich hatte Schmerzen. 

 

Angekommen, stand ich vor dem Eingang. Ich stand da, einfach nur da. Ich war nicht in der Lage hinein zu gehen. Erst mal eine Zigarette und dann gehe ich hinein. Lieber noch eine Zigarette, aber dann gehe ich hinein. Ein Stück Pfefferminzschokolade und ich ging hinein.

 

Ich hatte es geschafft. Ich war angekommen. Mühsam erklärte ich mein Kommen. Doch ich wurde einfach abgeblockt - „Nein, wir können keine unbestellten Patienten annehmen“. Da stand ich nun. Schneller als die Polizei erlaubt, war ich wieder auf der Straße.

 

Was nun? So eine Sch...! Gedanken drehten sich im Kreis. Ich wollte nach Hause, nur weg von hier.

Ich setzte mich auf einen Steinblock und rauchte. Ja, schon wieder. Früher, hätte ich an dieser Stelle aufgegeben. NEIN. Heute nicht. Ich beruhigte mich einigermaßen und fragte meinen Freund Google. Er zeigte mir, nicht weit von hier, einen anderen HNO-Arzt an. Nach einer weiteren Zigarette ging ich dann auch los.

 

Jetzt musste ich mich stark konzentrieren. Ich merkte, dass meine Belastungsgrenze fast erreicht war. Ich bekam Angst vor einer Dissoziation und dadurch vielleicht gefährlichen Unsinn zu machen. Zwischendurch stand ich planlos in der Gegend rum und verstand das Handy-Navi nicht. „Gehen sie nach Osten – ja wo ist Osten – biegen sie nach links ab, in die …. Straße – ja aber wo ist diese Straße?“ Gedanken sortieren, stehen bleiben, Ampel abwarten, weiter gehen, Achtungspausen einlegen. Völlig entnervt kam ich vor der Praxis an. Ich hatte es geschafft. Mir war schlecht vor Anstrengung.

 

Die Schwester kam und ich erklärte wieder mühsam mein Kommen. Ein paar freundliche Nachfragen, Versichertenkarte und ich war aufgenommen. Nach nur 15 Minuten, für mich endloses warten, rief mich eine freundliche Stimme herein. Dann saß ich auf dem Behandlungsstuhl und dieser sang, entsprechend meiner wackelnden Beine, sein kling-klang-kling, der Schweiß tropfte vor sich hin. Die Ärztin stellte völlig unbeeindruckt und freundlich ihre Fragen, fragte nach und schaute mir in Ohr und Hals. Sie erklärte jede Handlung und jedes Warum, ganz selbstverständlich. Sie gab Entwarnung für meine Ohren. Es war „nur“ der rechte Seitenstrang, der sich entzündet hatte. Sie stellte, freundlich erklärend, ein Rezept aus und gab mir einen leeren Terminzettel, für den Fall sie wieder einmal aufsuchen zu müssen. Sehr erleichtert stand ich dann wieder auf der Straße.

 

ICH HATTE ES GESCHAFFT!

 

Ich hatte es geschafft. Ich hatte nicht aufgegeben. Ich hatte durchgehalten. Ich war stolz auf mich. „Belohnen sie sich, wenn sie etwas geschafft haben“, sagt meine Therapeutin. Ja! Das mache ich jetzt. Ich gönnte mir einen riesigen Kaffee-Latte, im Straßengarten auf dem Altmarkt. Da war es, so früh am Morgen, noch schön leer. Ich konnte eine halbe Stunde „fast“ allein sein und den leckeren Kaffee genießen und rauchen. Und auch das, war eine Leistung! So etwas schaffe ich nicht jeden Tag. Es ist, trotz allem, sehr anstrengend für mich. Die Situation auszuhalten.

 

Ich habe es geschafft. Wieder ein kleiner Schritt voran.