Depression hat ein Gesicht - Ich rede darüber - Selbsthilfeverein Dieser Weg - Zurück ins Leben n.e.V.

Depression hat ein Gesicht - Ich rede darüber!

 

Ich möchte in diesem Blog, möglichst einfach, erklären wie es mir in meinem Leben mit der Depression geht. Wie ich leben, um es für gesunde Menschen nachvollziehbarer zu machen.

 

Ich schreibe sehr bewusst und nachvollziehbar, denn ich glaube, gesunde Menschen können nicht wirklich verstehen, wie es sich mit Depressionen lebt.

  

Mein Beitrag: Erinnere dich und ich erkläre dir, wie ICH mit der Depression lebe.

Jeder Mensch der interessiert ist, kann es gut an Hand eigener Erfahrungen in etwa nachvollziehen. Sie können respektieren und akzeptieren, dass es eine KRANKHEIT ist. Ein Krankheit die jeden treffen kann. Wir sind wie andere auch, behindert oder beeinträchtigt. Psychisch behindert aber nicht geistig behindert!

Angehörige und Freunde können akzeptieren, dass wir ihnen die Wahrheit erzählen. Erzählen, was die Krankheit mit uns macht, zuhören und vertrauen reicht aus.

JEDER kann Kenntnisse über die Krankheit erwerben oder Austausch zum Thema finden.

Wir sind starke Menschen, die täglich unsere ganze Kraft und unseren unbändigen Willen einsetzen, den Tag zu bestehen, zu lernen mit der Krankheit besser zu leben, Hilfe anzunehmen, Therapie wahrzunehmen und SUIZID-GEDANKEN zu WIDERSTEHEN. In der Hoffnung die Krankheit irgendwann zu besiegen, oder immer besser leben zu können, trotz Depression. Ich gebe jedem Tag, was ich kann!

Wir sind nicht faul!

Wir sind weder faul, noch lebensfremd, noch dumm oder unwillig. Wir sind Menschen, die jeden Tag, mit sich selbst und ihren Alltagsaufgaben kämpfen, so gut wir können. Wir sind Menschen wie du und ich, die du lieb haben kann, mit denen man sich unterhalten, Meinungen austauschen kann, die Vertrauen und Wertschätzung brauchen, die lachen können, die mit dir spielen können und so vieles mehr. Und ja, wir brauchen auch Hilfe, wir brauchen Halt, wir brauchen Verständnis und ehrliches Mitgefühl, wir brauchen Interesse und Akzeptanz. Aber wer, in Gottes Namen, braucht das nicht? Nimm uns als Mensch einfach an, so wie wir sind, das bitte ich dich. Mehr braucht es nicht.

Alle Menschen gehen ihren Weg durch das Leben, durch Höhen und Tiefen. Ihre Erlebnisse und Erfahrungen lehren sie, ganz natürlich, dabei. Sie verlieren aber nicht die Freude am Leben und die Leichtigkeit des Lebens. Die Depression bringt genau diese Dinge aus dem Gleichgewicht.

 

Ich möchte dir nun, an Hand deiner Erinnerungen und Erfahrungen, MEIN Leben mit der Depression erklären, so gut ich es kann. Dabei ist wichtig, dass du weißt, jede Depression ist anders, wird anders erlebt und jeder Betroffene geht anders mit der Krankheit um. 

Erinnere dich an Tage wo du stark erkältet - krank warst.

Du bist am Morgen erwacht und fühltest dich so unendlich müde und schlapp. Nur mit Mühe bist du aus dem Bett gekommen. Du hast dich irgendwie an den Tisch gesetzt und ohne Appetit ein klein wenig gegessen. Deine Gedanken kreisten nur um dein Bett. Du hattest das starke Bedürfnis, dich wieder zu verkriechen, zu schlafen und deine Ruhe zu haben. Und nun stell dir vor, du wachst jeden Morgen so auf.

Erinnere dich weiter an diese Tage. Du legst dich wieder schlafen und irgendwann wirst du wach, aber fühlst dich immer noch zerschlagen und zu nichts in der Lage. Du rettest dich auf das Sofa. Dort verbringst du irgendwie den Tag, mit nichts sinnvollem, eben einfach so, weil du keine Kraft und keinerlei Antrieb hast. Dir ist egal, wie es in deiner Wohnung heute aussieht, morgen ist ja auch noch ein Tag und dann wird es besser sein. Und nun stell dir vor, das ist viele Tage in der Woche, im Monat, im Jahr so und du hast nicht die Gewissheit, dass es schnell besser wird.

Erinnere dich, an den plötzlichen Überfall einer starken Erkältung.

Von einer Stunde auf die andere bist du krank. Eben warst du noch fröhlich und voll Tatendrang und dann mit einem Mal warst du schlapp, dein Kopf war leer und schwer und du warst mit deinem Tun völlig überfordert, eben krank. Nun stell dir vor, das passiert dir, an vielen Tagen, in vielen alltäglichen Situationen, bei Freunden, bei Familientreffen … Es passiert dir, immer und immer wieder. 

Erinnere dich, an deine Prüfungen.

Sicher haben sich dich sehr beansprucht und Tage zuvor warst du aufgeregt, hast dir Gedanken gemacht ob du es schaffst, hast Angst gehabt zu versagen, hast gedacht, du hast dich nicht gut genug vorbereitet ... Und nun stell dir vor, diese Angst, diese Gedankenstrudel begleiten dich Tage, Nächte, Tage und holen alle deine Unzulänglichkeiten, deine Fehler und Ängste hervor. Stell dir vor es ergeht dir so, bei den aller kleinsten Herausforderungen des Alltags. Du malst dir ständig in Gedanken aus, wie es sein wird, fragst dich ob du es schaffen wirst und was die anderen von dir denken …. 

Erinnere dich, du warst sicher schon einmal richtig geschafft vom Tag.

Du wolltest nichts mehr hören, sehen und sagen. Du warst nur müde und kaputt. Du warst einfach nur froh, in dein Bett zu können, dass der Tag vorbei war. Und nun stell dir vor, es geht dir viele Tage so. Dir geht es schon am Morgen so und es wird über den Tag auch nicht besser. 

Erinnere dich, du hattest sicher schon einmal ein Problem.

Ein Problem, dass über dir zusammenbrach. Du hast dich in Gedankenstrudeln gedreht, deine Fehler, dein Verhalten, deine Gefühle auch Schuldgefühle, deinen Selbstwert angezweifelt, hast dich allein gelassen gefühlt und keinen Ausweg gefunden. Doch irgendwann hattest du die Lösung und konntest das Problem lösen und vergessen. Nun stell dir vor, diese Gedankenstrudel begleiten dich über Tage, Wochen …. obwohl die Probleme gelöst oder unveränderbar (weil Vergangenheit) sind. Du wirst sie nicht los, immer wieder fallen sie über dich her. Immer wieder zeigt dir die Depression, dein Unterbewusstsein, Dinge, viele Dinge aus deinem Leben, die du nie wirklich bewältigt hast. Sie reit alle deine Fehler aneinander und lässt dich an jeder Handlung zweifeln. Du bist in diesen Gedanken gefangen, Stunden, Tage, Wochen.... immer und immer wieder. 

Erinnere dich, du warst sicherlich schon einmal menschlich sehr enttäuscht.

Enttäuscht von einem guten Freund, guten Kollegen, wie du dachtes. Es hat dir weh getan. Du hast dich vielleicht auch leer gefühlt. Du hast dir Gedanken gemacht. Dich gefragt, warum gerade Du das erleben musst. Du hast dich abgewendet und hast dich vielleicht auch für ein paar Tage zurückgezogen, wolltest allein sein. Und nun stell dir vor, dass dir solche Augenblicke, solche Situationen und deine Verletzungen immer wieder ins Bewusstsein zurück kommen, als wären sie gestern passiert, immer wieder. Deine Gedanken drehen sich um: warum, hätte, könnte, aber.... und diese furchtbare innere Leere bleibt in dir. Dein Rückzug, dein allein sein wird zu deiner Sicherheit im Leben. 

Erinnere dich, du hast sicherlich schon sehr unangenehme Situationen erlebt.

Situationen, wo du völlig aus deinen alten Wegen, aus deiner Sicherheit, heraus gehen musstest. Du hast dich nicht wohl gefühlt, wärst am liebsten in den Boden versunken, warst unsicher. Du hast überlegt: mache ich es oder lieber doch nicht, schaffe ich es oder doch nicht, bin ich bereit dafür oder lasse ich es lieber, will ich es wirklich oder will ich es nicht. Und nun stell dir vor, diese Situation fällt immer über dich her, wenn du deine Wohnung, dein zu Hause verlassen willst. Dabei ist egal wofür. Ob du „nur“ einkaufen willst, zu den Kindern fährst, eine Freundin triffst... Egal, deine Gedanken fahren Achterbahn im Ja, Jain oder Nein.

Erinnere dich, du warst sicher schon einmal sehr unzufrieden.

Unzufrieden mit dir, hast dich nicht gut genug, vielleicht sogar als Versager gefühlt, weil du etwas nicht geschafft hast, oder viel später als andere erst getan hast. Trotzdem war es dein Weg und du hast es geschafft damit glücklich zu sein. Nun stell dir vor, diese Gedanken würden deine Gedankenwelt bestimmen und deine Welt regieren. Du würdest immer und immer wieder auf sie stoßen. Du würdest dich, sehr oft, als nicht gut genug fühlen, obwohl du genau weißt oder gelernt hast, du hast dein Bestes gegeben. 

Erinnere dich, an eine unvorbereitete Situation, in die du geraten bist.

Ein letztes noch. Sicherlich gab es schon eine Situation, die unvorbereitet über dich herein gebrochen ist. Die dich überfordert und hilflos gemacht hast. Du hast sie gemeistert und oftmals vergessen. Nun stell dir vor, dass genau diese Überforderung und Hilflosigkeit, dich bei vielen alltäglichen Dingen befällt. So beim einkaufen, Auto oder Straßenbahn fahren, in einem Gespräch, bei einer Gruppenunterhaltung, bei Auseinandersetzungen und Streit oder einfach bei unvorbereiteten Dingen die eben im Leben mal so passieren. Nichts wirklich schlimmes, aber du drehst dich sofort im Kreis und bist handlungsunfähig. 

Die Depression würfelt all diese Dinge durcheinander.

Ich denke, ich könnte noch weitere Situationen aufschreiben, die dir selbst bekannt vorkommen, die du schon einmal erlebt und gefühlt hast. Es gibt so vieles, was die Depression im Leben beeinflusst. Du hast dich jetzt von Absatz zu Absatz erinnert und gefühlt. Jede Situation einzeln angeschaut.

Die Depression bringt mir, das alles,  zusammen in meine Lebenswelt und dass Tag für Tag.

 

Und doch sage ich dir: ICH WILL LEBEN. Ich weiß noch, das Leben kann auch schön sein und an manchen Tagen kann ich es erleben. Ich werde weiter lernen, mich selbst weiter kennen lernen. Lernen ich selbst zu sein, mich nicht zu verbiegen. Schritt für Schritt, mit unendlicher Geduld, immer in der Hoffnung, dass ich die Depression besiegen kann, eines Tages.  

 

Dir sage ich, pass auf dich auf! Achte auf deine Grenzen und sorge für dich!