22.05.2017-Auf der Suche nach meinen Gefühlen-Emotionale Hochspannung und Emotionale Stille

Emotionale Hochspannung und Emotionale Stille

Gefühle und Emotionen gehören zu unserem menschlichen Dasei, wie das Essen und Trinken. Sie haben in der Evolution uns zum Menschen gemacht. Im Laufe unseres Lebens lernen wir mit unseren Gefühlen und Emotionen zu leben. Sie zeigen uns was gut und was schlecht ist, für uns. Wenn sie gefördert werden, lernt man damit umzugehen und sie zu achten. Werden sie unterdrückt und nicht gepflegt, stets als negativ bewertet oder immer wieder negativ erlebt, verändert sich das Selbstbild. Das hat vielerlei Konsequenzen, die wir oft im Alltag erleben können. Meine Konsequenz war, am Leben zu zerbrechen.

Seit her lebe ich im Licht und Schatten meiner Depression und mit emotionaler Stille in mir. 

 

Erst seit ein paar Tagen ist mir bewusst, das ich nicht gefühllos bin. Meine emotionale Leitung ist „nur“ abgeschaltet“, um mich zu schützen, um mir das Überleben zu sichern. Danke liebe Emotion. Warum kann ich nicht fühlen? Diese Leere in mir ist grausam. Ich habe nun vieles zum Thema Gefühle und Emotionen gelesen und ich denke, dass eine Erklärung darauf beruht, dass ich viele Jahre unter emotionaler Hochspannung gelebt habe und sie zu oft verflucht habe.

Mein emotionales Zentrum unter Hochspannung

Begonnen hat alles in meiner Kindheit. Ich hatte früh viel Verantwortung, vermisste aber Zuneigung, Liebe und Wertschätzung. Ich war immer Schuld. Ich machte immer Fehler. Ich glaubte immer ich wäre anders. Noch heute höre ich meine Mutter sagen: mit dem Gefühlsgedöns kann ich nichts anfangen. Erst mit der Depression erkannte ich ihre emotionale Kälte. Noch heute höre ich meinen Vater brüllen: hör auf zu heulen sonst …. Noch heute erinnere ich mich an so manchen Schlag von ihm und an seine zerschmetternde Häme. Es blieb so, Zeit ihres Lebens und ich gewöhnte mich daran, nahm es hin. Es wurde für mich Normalität.

 

Ich lebte mein Leben und ging durch viele tiefe Täler und auch Höhen. Mein Job in einem „sozialem“ Verein brachte dann das Fass zum überlaufen. Ein Job der über Jahre hinweg immer stressiger wurde, immer mehr Projekte beinhaltete, immer mehr Aufgaben und Überstunden brachte. Jahrelanges Mobbing und eine emotional - menschlich unterbesetzte Chefin brachten mich an meine emotionalen Grenzen.

 

Ich habe in dieser Zeit so oft meine Emotionen verflucht, mir gewünscht ein eiskalter Engel zu sein. Ich musste Dinge hören und erleben, die mir emotional den Verstand raubten. Ich musste stark sein, war verantwortlich in Familie und Job. Da war kein Platz für Emotionen. Ich habe sie hintergangen, weil der alltägliche Stress mir die Sicht nahm. Dazu glänzte meine Chefin mit Aussagen wie diesen: sie sind viel zu emotional, lassen sie ihre Gefühle zu Hause Gefühle haben im Job nichts zu suchen, gehen sie nicht immer mit ihrem Herzen voran, sie haben ein zu großes Herz.

 

Wie oft habe ich gedacht, jetzt ist es so weit, ich drehe durch? Ich war so voller Gefühle und wusste nicht mehr wohin damit. Ich wollte nicht mehr stark sein, wollte nicht mehr kämpfen. Ich war so unendlich, des Lebens, müde. Ich war ein einziges emotionales Nervenbündel. Es war vorbei. Die Hochspannungsleitung riss. Es herrschte Ruhe in mir. Unendliche emotionale Ruhe. Es blieben mir die Anspannung, die Angst, Gedanken im Überfluss und die Depression. 

Ich bin kein hoffnungsloser Fall

Ja, ich muss an dieser Stelle zugeben, ich liebe diese Ruhe in mir. Es ist immer noch so ungewohnt, wenn ich einfach nur da sitze, ganz bei mir bin und es so still in mir ist.

Und doch vermisse ich meine Emotionen, weil sie das Leben sind. Es ist so leer in meinem Leben. Natürlich hat diese Emotionsleere auch Vorteile. Meine Gedanken können sich ärgern, wütend sein oder auch hassen, aber in mir passiert überhaupt nichts. Ich weiß nicht mehr wie es ist, wenn das Blut kocht oder es im Bauch gribbelt.

 

In meinem Leben mit der Familie und Freunden ist diese Emotionsleere für mich sehr schlimm. Ich kann noch emotional handeln, denn ich tue was ich denke (was mir gut tun würde). Das bestätigt mir unser derzeitiges Leben miteinander. Auch in der Traumaklinik konnte ich erleben, dass es funktioniert und andere Menschen mich sehr wertvoll empfanden. Wer es nicht weiß, wird es nicht bemerken.

 

Ich selbst bemerke es!

  • Ich umarme einen Menschen, zur Begrüßung, Verabschiedung oder weil er es gerade braucht. Meine Gedanken sagen, ich hab dich lieb, du bist gut wie du bist. In mir bleibt es still. Ich kann es nicht spüren.
  • Meine Enkelkinder rufen „Oma“ und kommen fröhlich zu mir gesprungen. Meine Gedanken denken: es ist so schön, ich liebe dich. Doch in mir rührt sich nichts.
  • Ich habe den besten Ehemann der Welt, ich liebe ihn von ganzem Herzen, denkt mein Kopf, doch spüren kann ich es nicht.
  • Ich erlebe so viele schöne Dinge, fotografiere, wir machen Urlaub am Meer, sind unterwegs in der Stadt, die Gänseblümchen auf der Wiese, meine Wohnung, meine Blumen auf dem Balkon …. Ich kann mich in Gedanken darüber freuen, aber in mir regt sich nichts, es ist ganz still.

 

Doch manchmal, ganz still und heimlich schleichen sich die Emotionen jetzt in mein Leben. Manchmal bin ich nicht völlig leer. Manchmal kann ich genießen, irgendwo draußen zu sitzen, das Meer und den Strand entlang zu laufen, Freude an einer Blume am Wegesrand zu haben, wieder Freude am fotografieren empfinden. Manchmal ist da ein kleines Gribbeln. Das macht mich froh und dankbar. Es gibt mir Hoffnung.

 

Hoffnung auf ein Leben mit Emotionen und Gefühlen, irgendwann.