Konfrontation mit mir selbst - EMDR - Vertrauen

Konfrontation mit mir selbst

Die Therapiestunde heute begann sehr ungewöhnlich. Ich wurde mit mir selbst konfrontiert. Während meiner Therapiestunde läuft immer eine Kamera mit, doch noch niemals hat eine Therapeutin mir das Resultat gezeigt. Heute war das anders. 

 

"Schauen sie sich mal selbst an, wie sie in der Therapiestunden wirken und sagen mir dann was sie sehen", forderte mich meine Therapeutin auf. Ich schaute 3 Sequenzen meiner Therapiesitzung an (Beginn, Mitte, Ende). Schon bei der 2. Sequenz fiel es mir schwer noch hin zu schauen. Was ich sah schockierte mich. 

 

"Was sehen sie?" Was macht das mit ihnen?"

Ein menschliches Frack!!!! - antwortete ich, nach einer Weile, sehr frustriert.

 

Ich hatte mich gesehen, mich ein menschliches Frack, furchtbar anzuschauen und ich wollte nur noch weg. Fragen jagten mir durch den Kopf? Was soll das? Wohin führt sie mich? Glaubt sie etwa ich weiß nicht, dass ich krank bin, dass ich Grenzen habe, dass ich nicht leistungsfähig bin? ..."

 

Was haben sie noch gesehen?", fragt die Therapeutin weiter. Eine Frau, die mit den Beinen rumzappelt, herum gestikuliert, unter Hochspannung steht, krank aussieht ...

 

"Ja! SIE SIND KRANK! IHNEN GEHT ES NICHT GUT! AUCH WENN SIE DAS HIER IMMER SAGEN. Ihnen geht es nicht gut. Sie haben gute und schlechte Tage, aber es geht ihnen NICHT GUT!"

 

Und wie sitze ich da?" Sie schauen fragend und wirken zugeknöpft, antworte ich. "Sehen sie was das mit mir, einer stabilen Persönlichkeit macht? Es ist eine sehr schwere Therapiestunde für mich und ich muss mich selbst regulieren und schützen. Das heißt nicht, das wir jetzt am Ende sind. Ich möchte ihnen nur aufzeigen, wie sie auf andere Menschen wirken, was es mit ihnen macht. Und das macht klar, wie sie erst auf andere Betroffene in einer Gruppe wirken." In mir kriecht die Angst hoch - stellt sie jetzt meine 2. stationäre Traumatherapie in Frage? 

 

Ich widerspreche. Doch! Mir geht es gut. Seit der Traumaklinik und ohne Risperidon, bin ich weit mehr im Leben, Gefühle kehren langsam zurück, ich bin leistungsfähiger und habe sehr viele Schritte nach vor gemacht. Endlich habe ich, so wie andere auch, gute und andere Tage (das war bis zur Klinik nicht so, es gab nur ein einheitliches tief dunkelgraues Loch), ich schaffe es zu wandern, einzukaufen oder einen Besuch im Café allein zu bewältigen. Natürlich weiß ich, dass ich noch lange nicht da bin, was ich normales Leben nenne. Noch lange nicht so leistungsfähig bin wie früher. Das ich Grenzen habe, die ich wiederholt und mit aller Macht überschreite. Das mein Perfektionismuswahn, mich immer wieder dazu treibt. Aber mir geht es gut, viel besser als früher.

 

"Sie sagen hier in der Therapiestunde, ihnen geht es gut. Ich stelle hier nicht ihre Fortschritte in Frage! Ich möchte ihnen sehr bewusst machen, dass sie sehr krank sind und es ihnen noch nicht gut geht. Das zeigen ihre Beine sehr deutlich. Es ist keine sichtbare Veränderung, in Bezug auf ihre Beine, zu erkennen! Wir müssen einen Zugang finden, heraus finden, warum ihre Beine so unruhig sind."

Ich fühle mich wie erschlagen, bin innerlich nahe der Überspannung und meine Nerven surren im ganzen Körper. Dann antworte ich.

 

Meine Beine kann ich nicht abstellen. Ich kann sie ja abschnallen und wegwerfen. Ich bin immer angespannt, im ganzen Körper, egal was ich tue, es ist Dauerzustand und ich denke die Beine sind das Ventil dazu. Ich hasse diese Beine, dieses wackeln. Jeder Mensch sieht, dass ich nicht ganz dicht bin. Egal wo ich sitze, egal ob ich mich dabei gerade wohl fühle oder nicht, meine Beine wackeln. Sie ziehen doofe Blicke auf mich oder sogar doofe Bemerkungen, wie z.B. Brauchen sie eine Toilette? Ist das eine Angewohnheit? Können sie sich nicht beherrschen? Können sie nicht aufhören zu zappeln? ...  Meine Beine wackeln nicht, wenn ich liege oder stehe und auch nicht, wenn ich im Auto sitze.

 

"Im Auto nicht? Was ist dort anders?" Was ist anders, was? Ich stehe oft unter Hochspannung, bin nervlich nicht stabil, erschrecke leicht ... - ähm Angst. Vielleicht brauche ich Angst, damit die Beine nicht wackeln. Ich weiß es nicht.

 

EMDR-Übung

 

"Versuchen wir heute mit EMDR Antworten zu finden? Konzentrieren sie sich auf ihre Beine, hören sie in sich hinein."

 

30 Klopfzeichen ... 

  • Die Beine wollen weglaufen, sie haben Angst.
  • Wovor wollen sie weglaufen?
  • Sie wollen nicht hinaus in das Leben. Sie haben Angst vor den Menschen.
  • Warum?
  • Menschen sind schlecht und verletzen.
  • Welche Menschen? Die Menschen in ihrem Leben?
  • Menschen außerhalb meiner Familie.
  • Haben sie die jetzt in unmittelbarer Nähe?
  • Nein, ich habe jetzt nur meine Familie um mich.
  • ...

30 Klopfzeichen ...

  • Sagen sie ihren Beinen sie brauchen jetzt nicht weglaufen, weil sie nur gute Menschen um sich haben.
  • Liebe Beine ihr braucht nicht weglaufen, wir können jetzt ganz langsam gehen, wir brauchen keine Angst mehr zu haben wiederhole ich intensiv mehrfach und ... im Hintergrund klingt ein hämisches Lachen.
  • Ich kann es nicht annehmen.  Angst ist da, dass sich Erlebnisse wiederholen, dass ich wieder verletzt werde, wieder allein da stehe. Ich fühle mich nur, in meiner Familie, sicher.
  • Haben sie wirklich Vertrauen? Wozu brauchen sie Vertrauen in andere? Warum brauchen sie einen "Retter"? 
  • Wenn sie sich selbst vertrauen, brauchen sie keinen Retter, niemanden der hinter ihnen steht und sie bestärkt. Dann wissen sie selbst, das sie es können und richtig machen.
  • Wer lacht da? 
  • Mein Vater, der nicht daran glaubt, das ich etwas richtig machen kann.
  • ...

30 Klopfzeichen ...

  • Versuchen sie ihrem Vater zu begegnen, sagen sie ihm, dass er sie nicht mehr stört.
  • Grr. Lass mich in Ruhe, ich kann das und ich werde es tun. Ich schaffe das! 
  • Im Hintergrund sehe ich das Gesicht meines Vaters, sein verdutztes Gesicht, wie er es damals hatte, als ich ihm den Latschen aus der Hand riss und zurück schlug.
  • ...
  • STOP!
  • Ich breche ab. Das hämische Lachen ist laut und hässlich und die Klopftöne treffen mich bis auf den Nerv.

EMDR-Kopfprotokoll ist nur ein Bruchteil dessen was abgelaufen ist. Es sind nur die, für mich heftigsten Erkenntnisse.

 

Ich habe kein Vertrauen in mich selbst

  1. Die Wahrheit ist hart. Mir geht es NICHT GUT. Mir geht es besser.
  2. Meine Beine sind ein Anspannungs- und Angstventil.
  3. Ich habe kein Vertrauen in mich selbst.
  4. Ohne Vertrauen in mich selbst, kein Selbstbewusstsein und keine Fortschritte in der Therapie

Immer bin ich am zweifeln, immer warte ich darauf zu versagen, immer wieder die Angst nicht gut genug zu sein ... Das wider rum holt den anderen Teufel in mir hervor, den Antreiber und Perfektionisten.

 

Ich, die selbst, stets anderen Menschen sagt - Vertrau dir selbst, alles was du brauchst ist in dir - habe diesen Satz vergessen. Ich selbst habe kein Vertrauen in mich selbst. Noch immer nicht. Zum wiederholten Mal, bin ich enttäuscht, von mir selbst. Mir ist, im Kopf, so viel klar. So viele Dinge weiß ich. So viele Dinge sind mir bewusst und doch sitzen die alten Glaubenssätze, noch immer fest im Unterbewusstsein und lenken mich. Es ist hart für mich, mir heute einzugestehen, dass ich kein Vertrauen in mich habe.

 

Ich bin entsetzt, wie gute Arbeit/Erziehung meine Eltern geleistet haben, um mich zu zerbrechen. Um mich zu zeichnen, für meinen weiteren Lebensweg. Immer in den Zweifeln gefangen und auf der Jagd nach Bestätigung der Eltern, habe ich so manche falsche Entscheidung gefällt, so manche Jahre vergeudet. Andere Menschen hatten ein leichtes Spiel mir mein Selbstvertrauen, in die eigene Arbeit, zu zerstören.

Natürlich habe ich gelebt, gelacht und mein Bestes gegeben und gute Zeiten erlebt, trotz des Wissens, dass ich es meinen Eltern nicht Recht machen konnte. Na und? Da stand ich drüber. Wirklich? Heute begreife ich langsam, dass ich niemals darüber stand.

 

Ich war mir dieser Dingen überhaupt nicht bewusst. Sie haben auch nicht mein Leben bestimmt, diese Ängste saßen tief und fest in der Seele. Ich habe sie nicht wahrgenommen, verdrängt und ignoriert. Erst heute verstehe ich mein beständiges Gefühl "anders zu sein". Erst heute begreife ich langsam, dass ich ein sehr guter Blender war und mich sogar selbst geblendet habe.

Erst mit der Depression, als das Fass voll war und überlief, kamen all diese Ängste an die Oberfläche und machten mich handlungsunfähig.  Trotzdem bin ich dankbar. Dankbar dafür, dass ich jetzt lerne wer ich selbst bin, was ich will, was mir wichtig ist, wo ich meine Grenzen habe und dass ich mir vertrauen kann. Es ist noch ein weiter Weg und ich brauche noch viel Geduld, vor allem mit mir selbst.

 

Liebe Heike, vertraue dir selbst. Du kannst schon sehr viel. Du bist weit gekommen. Geh weiter, Schritt für Schritt. Hör auf deine Grenzen zu überschreiten. Hör auf immer und immer weiter voran zu wollen. Lass dich nicht von anderen treiben. Ruhe dich aus und übe was du kannst. Deine Heike


Nachbemerkung:

Auch wenn die Aussagen meiner Therapeutin in "-" stehen, sind diese nicht wörtlich zu nehmen. Sie sind auf der Grundlage meines Gedächtnisses aufgeschrieben, mit meinen Worten vermischt und natürlich mit meinem Verständnis verbunden. Meine Gedanken richten sich nicht NICHT gegen die Therapeutin. Es ist das, was in MIR vorgeht. Daraus können für mich Klärungsbedarfe klar werden, die ich in der Therapie ausspreche bzw. lese ich meinen Blog/Text der Therapeutin vor. Meine Therapeutin sieht mich aus einer anderen Perspektive, viel klarer und reibt sich manchmal auch mit mir. Das darf sein. Veränderung kommt von aussprechen. Fragen und Widerstände in mir dürfen, können und sollen in der Therapie, über Selbsterkenntnisse ihre Antworten erhalten. Nur so, kann ich MEINEN Weg finden. Meine Therapeutin unterstützt mich dabei. Lies bitte auch den weiterführenden Blog. DANKE  

 

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