Ich lebe meine Krankheit. Eine Aussage die mich in den Strudel reißt.

Wackelnden Beine - Bedürfnisse oder Ängste

Wie definiere ich mich?

Ich bin anders (falsch), seit der Kindheit.

Daraus folgte, dass ich immer unter Anspannung und Beklemmung stand, mich immer beobachtet und bewertet fühlte.

Angst – Ignoriert (schon in der Familie) – Bewertet (über mich reden) sind Grunderlebnisse die mich auf meinem Weg begleitet haben und noch begleiten.

 

Meine Außenwirkung:

Ich bin krank. Ich bin beeinträchtigt.

 

„Wenn sie nicht beständig mit den Beinen wackeln würden, würde ich nicht erkennen, dass sie krank sind. Sie sind gepflegt, sie sind offen, sie können lächeln.“

"Wenn ich aber ihre Beine sehe, dann erkenne ich deutlich, dass sie ein Problem haben. Das ist mir nicht egal und das macht auch mit mir etwas."

"Darüber hinaus fällt auf, dass sie Blickkontakte vermeiden. Sie möchten nicht sehen, was sie früher in den Augen der Menschen so oft gesehen haben."

„Ich denke dies alles ist ein Zeichen, nach Außen. Sie wollen in Ruhe gelassen werden. Sie wollen Hilfe."

Meine Innenwirkung

Meine Bedürfnisse wie Liebe, Zuwendung, Verständnis, Akzeptanz und Respekt.

"Über das Beine wackeln, geben sie (unbewusst) nach Außen ein Zeichen, für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse, dafür das man sich um sie kümmert. Sie erhalten aber außerhalb ihrer Familie, all die negativen Erfahrungen, sie werden angestarrt, belächelt, es wird über sie geredet... Andererseits erreichen sie damit auch, dass sie in Ruhe gelassen werden, das man rücksichtsvoller ihnen gegenüber ist."

 

Ergebnis der Therapiestunde

Meine Beine wackeln, um meine Grundbedürfnisse nach Zuwendung und Liebe zu stillen. Ich habe Angst, dass sie ohne sicheres Zeichen nach Außen – Ich bin krank – nicht erfüllt werden. Sie weisen auf unerfüllte Bedürfnisse deutlich hin.

Triggeraussage: Sie leben ihre Krankheit. Ich=krank.

 

Meine Verarbeitung - Meine Sichtweise

Die Stunde reißt mich in einen Strudel. In einen Strudel der Abwehr. Mir geht es sehr schlecht, mit den Endaussagen der Therapie. Für mich, sind sie falsch. Ich lebe nicht meine Krankheit, ganz bestimmt nicht. Noch lebt sie mich.  

 

Ja, nach Außen, möchte ich das niemand bemerkt, dass ich krank bin. Daher mache ich Körperpflege, wasche die Haare, ziehe mich ordentlich an, lege Schmuck an und erst dann! verlasse ich das Haus. Leider verraten mich meine Beine, die mal mehr und weniger intensiv gerade dann wackeln, wenn ich es überhaupt nicht will (Bus, Bahn). Ich hätte nichts dagegen, wenn sie es nicht tun würden und ich so unbehelligt und unsichtbar in einer Ecke sitzen könnte. Ich habe keine Angst davor, dass mein Kranksein übersehen wird bzw. nicht respektiert wird. Nein, mit fällt es im allgemeinen noch immer sehr schwer öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, besonders wenn sie voll sind. Ich denke genau aus diesem Grund wackeln dann auch die Beine. Es ist mir unangenehm, ich möchte weglaufen, habe Angst vor doofen Blicken/Gesten/Worten und es ist mir zu wuselig.

 

Ja, bis zu meinem Zusammenbruch bestand mein Leben, ganz sicher aus der Suche nach Anerkennung und Liebe, aber auch aus Angst und Hilflosigkeit. Ja, ich habe immer gegen die Angst gekämpft, sie ignoriert, sie überspielt oder weggedrückt und viele Dinge gemeistert. Ich habe Auto fahren gelernt, ich habe Projekte konzipiert und ja habe sogar Leitungstätigkeit ausgeübt.

Ja, ich hatte in meinem Leben immer Angst. Angst falsch zu sein, Angst das Falsche zu tun oder zu sagen, Angst nicht gut genug zu sein und Angst die Anforderungen nicht zu erfüllen, ihnen nicht gewachsen zu sein. Diesen Gedanken wurde, von Außen, auch immer wieder Verstärkung gegeben. Ob die letzten Jahre im Beruf, in der Herkunftsfamilie, in der Ehe, bei meinen Kindern und ja auch in der neuen Beziehung, meiner jetzigen Ehe mit Michael. Irgendwann war das Fass so voll, dass es überschwappen musste. Diese Angst und Hilflosigkeit mein Leben nicht mehr bewältigen zu können, insbesondere die Leistungsanforderungen, sind geblieben.

  

Es hat sich viel verändert, im JETZT

Verändert hat sich mein Leben. Ich bin seit 7 Jahren krank und bin seit 1 Jahr unbefristet EU-Rentnerin. Meine Herkunftsfamilie gibt es nicht mehr. Meine Familie, insbesondere Michael, sind für mich da und geben mir Liebe und Zuwendung. Michael hat es durch sein Reha geschafft gesund zu werden. Er war schockiert von meinem Zusammenbruch. Seither ist viel Zeit vergangen und wir haben viel gesprochen, über die uns wichtigen Dinge, die ja auch durch die Therapiethemen in unser gemeinsames Leben schwappen. Ich bin jetzt, in meiner Familie, gut aufgehoben, habe Vertrauen, sage was ich denke, treffe für mich Entscheidungen und erhalte Zuwendung, Verständnis, Akzeptanz, Respekt und vor allem ganz viel Liebe. Mir geht es gut, in meiner Familie.  

Wirklich? Habe ich selbst, diese gerade geschriebenen Sätze, in meinem Herzen, in meiner Seele und damit in meinem Leben. Ganz ehrlich? Nein, ich vertraue nicht mir und auch nicht anderen, wirklich. Die Angst ist da. Angst allein gelassen zu werden, ignoriert und benutzt zu werden, das Falsche zu tun oder zu denken …  In mir ist immer die Stimme die mich zweifeln lässt.

 

In meiner Familie ist es nicht wichtig, ob meine Beine wackeln oder nicht. Es ist allen wichtig, wie es mir gerade geht und ob es mir gut geht. Auch für mich sind die Beine, Nebensache. Sie wackeln eben. Sie haben irgendwann begonnen und werden irgendwann auch wieder aufhören. Dann, wenn es meiner Seele gut geht, wenn diese genug Frieden hat. So wie in dieser einen Stunde am Meer, auf Helgenaes.

 

Meine Beine wackeln. NaUnd?

Nein, mit dem wackeln der Beine, lebe ich nicht diese Krankheit. Nein! Sie wackeln eben. Sie sind für mich kein Zeichen „Achtung ich bin krank“. Sie wackeln eben. Sie geben meiner Angst und Anspannung einen Weg nach draußen, denke ich. Angst, die ich eine Zeitlang im Leben auch versteckt habe, weil es die Situationen nur verschlimmert hat oder es keinen anderen Weg gab. Die Wut oder Aggression meines Ex oder das Mobbing/Bossing im Job. 

 

Warum wackeln die Beine, immer dann am stärksten, wenn ich Angst habe, wenn ich Überwindung für mein tun brauche, wenn ich innerlich vor Anspannung und Anstrengung fast platze, wenn mir etwas sehr unangenehm ist, wenn ich aufgeregt bin und alles richtig machen möchte … Ja, dann entlasten sie mich etwas.

 

Was ist so schlimm daran, dass sie wackeln? Weil es anderen auffällt? Weil es andere belästigt? Auch wenn es mich in der Situation direkt, triggert, ist es mir egal. Behinderungen haben eben manchmal auch negative Auswirkungen im Menschenbild. Wenn ich aus dem Bus raus bin, sind sie weg.

 

Dazu fällt mir gerade auf, meine Beine wackeln nicht immer. Sie wackeln, wenn ich auf einem Stuhl oder festen Hocker sitze. Dann wenn „Haltung“ gefragt ist. Auf einem Sofa in entspannter Rücklage, im Auto oder im Sessel sind sie still. Sagt da in mir vielleicht jemand: Achtung du sitzt auf einem Stuhl, du musst … Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, ich habe viele Jahre auf einem Stuhl im Büro der Chefin gesessen oder in einer Vorstandssitzung und wäre am liebsten weggelaufen, weil ich so oft hilflos anhören musste, was ich nicht ändern konnte. Am Tisch beim Essen: „sitz gerade“, „sitz ordentlich“... in der Kindheit.

 

Heute habe ich einen Text gelesen von Gabriel Rudolph. Warum finde ich mich genau in ihren Worten wieder. Sie spricht, glaube ich aus, was ich im Kopf schon weiß, aber nicht umsetzen kann.

 

Wusstest du, dass alleine Hinspüren, - sehen und -hören das Nervensystem enorm beruhigt? Denn: was Angst ebenso wie Hilflosigkeit besonders triggert und verstärkt, ist wenn du sie ignorierst, duldest, verharmlost oder abwehrst. Sie fühlen sich dann von dir nicht ernst genommen. Und das kennt das innere Kind sehr gut: Nichtgesehen- noch Gehört-, immer wieder verlassen zu werden, leere Versprechungen, Lügen, haltloser Trost, Aufschiebungen usw. All das steigert sein Gefühl der Hilflosig- und Ausweglosigkeit und die daraus resultierende Angst und Erstarrung. Kurz: Erst wenn du dich besser und sicherer mit dir fühlst, kannst du wieder zurück zu den traumatischen Gefühlen und Körperempfindungen gehen und sie aus einer Position der Stärke und Ruhe heraus, fühlen. Dabei kann es sein, dass auch Wut erscheint, die in der ursprünglichen, traumatisierenden Situation nicht die Möglichkeit hatte, ausgedrückt zu werden... . Hier ist es wichtig, diese zuzulassen, zu fühlen, ja, sprechen und sich ausdrücken zu lassen. Sie sagt vielleicht „Ich will das nicht“ oder „Ich will, dass du aufhörst damit!“ und der Körper beginnt, etwas wegzuschieben, zu stampfen, zu boxen oder zu rennen etc. Kurz: Der Körper kann jetzt tun, was ihm bisher nicht gestattet war: Er kann fliehen, kämpfen, wegstoßen, „Nein“ sagen, Zittern. Dabei werden die gespeicherten Energien entladen, das Nervensystem auf Null gesetzt, die ursprüngliche Geschichte auf eine gesunde und organische Weise vervollständigt. 

(aus: “Endlich frei! - Traumata als Tor zur Freiheit” von Gabriele Rudolph, mehr dazu unter www.einfachnursein.de) 

 

Nein! Ich lebe nicht diese Krankheit! Noch! Lebt sie mich.


Umgedacht ... Meine Beine geben mir ein Zeichen