Klinik am Waldschlößchen - Abschied nehmen - Abschlussbericht - Meine Sichtweise.

2019 - Abschlussbericht - Was habe ich erreicht?

Am Beginn meines Aufenthaltes standen meine Kontaktfähigkeit, Vertrauen und Augenkontakt im Focus meiner Arbeit. Ich war kaum bereit anderen Personen in die Augen zu schauen, gab beständig meine Verantwortung ab bzw. drängte ich, unbewusst, andere in die Helferposition. Ich hatte sehr große Schwierigkeiten die Gruppe auszuhalten, mich zu äußern, auf meine Grenzen zu achten, mich selbst zu regulieren oder auch bei Bedarf die Gruppe zu verlassen. Darüber hinaus stand ich unter beständiger Hochspannung und Angst, die meine Beine unaufhörlich in Bewegung hielten.

 

Erste Schritte in Richtung Vertrauen begann ich mit einer Augen-Konfrontationsübung, die ich mit meiner Therapeutin ausführte. Der Augenkontakt löste die Angst und gab mir Vertrauen, so dass es mir besser gelang der Therapeutin in die Augen zu schauen und meine Beine für die Therapiestunde ruhig zu halten. Es war für mich ein unglaubliches Gefühl, als meine Hochspannung sich auflöste und Vertrauen in meinen Körper einzog. Ich konnte es spüren bis in den kleinen Zeh.

Es brauchte klare Worte von Therapeuten und Patienten, die mir meine Außenwirkung spiegelten, dass ich mein Verhalten verändern konnte. Ich begann den Therapeuten, wie den Patienten in die Augen zu schauen und zu vertrauen. Ich wurde sicher im Umgang mit anderen. Über die Themenzentrierten Gruppentherapien wurde mir klar, alles was ich fühlte, womit ich haderte, was mich trieb oder jagte, erlebten auch andere. So oder anders. Der überaus offene und ehrliche Austausch dieser Gruppe, die wirklich sehr gute Themenarbeit mit der Gruppe und diese Vertrautheit, ließen mich wachsen. Ab der Mitte der Therapiezeit konnte ich mich voll auf die Gruppe einlassen, hatte einen vertrauten Umgang mit den meisten Mitpatienten und beteiligte mich ohne Angst aktiv an den Gruppentherapien. Ich war in der Lage, mich mitzuteilen, ehrlich zu sagen was ich dachte und Erfahrungen weiterzugeben. Zu einigen konnte ich intensive Nähe und Freundschaft zulassen.

 

Ich lernte meine Grenzen viel besser zu achten. Ich konnte den Raum zur Regulation verlassen, um wieder hinein zu gehen. Ich wendete dabei verschiedene Skills an: 5-Sinneübung, Alphabet-Tiere, kaltes Wasser über die Handgelenke laufen lassen und einfaches Ball-Jonglieren. In der Gruppe hatte ich erst eine Eichelschale, dann einen Stein in meinen Händen, um die Selbstverletzung meiner Finger zu regulieren. Später kam langsames auf- und abbewegen der Beine hinzu.  

 

Ein Therapievertag „Ich vertrage mich mit mir!“, damit verbundene Reflexionen und Diskriminationen haben mir meine eigenen Selbstverletzungen sehr bewusst gemacht. Über die Diskrimination und Reflexion habe ich mich selbst besser gesehen, Erkenntnisse gesammelt wo meine Denk- und Handelsweisen herkommen und hingehören. Somit wurde mir sehr deutlich, wo ich gegensteuern musste/wollte und lernte erste Schritte meine Selbstverletzungen zu vermeiden bzw. sofort zu widersprechen. Ich wurde mir selbst bewusster.

 

Einen für mich unerwarteter Schritt war, die Auseinandersetzung mit dem Tod meiner Tochter Daniele. Diese Ereignis hatte ich selbst, in der Kunsttherapie getriggert, so dass es sehr präsent war.

Es erbrachte für mich 2 wesentliche Entwicklungen. Einerseits die Auseinandersetzung, einschließlich IRRT mit dem traumatischen Erleben. Andererseits den wundervollen Ausbruch von Tränen und damit verbunden, die Auflösung meiner Hochspannung und Angst. Ich bin in die Hölle gegangen, um erstarkt und frei wieder heraus zu kommen. Es war für mich eine gigantische, wunderbare sowie schmerzvolle und nervenzerreißende Kraftarbeit, mit fantastischem Ergebnis. Dabei war das Zusammenspiel von Psychotherapie, Themenzentrierter Gruppen-Kunsttherapie und Einzel-Kunsttherapie für mich einen gewinnbringende und wohltuende Verbindung. In der Gruppen-Kunsttherapie konnte ich das Erleben der Tränen, den Schmerz des Verlustes malen. In der Einzel-Kunsttherapie lernte ich eine Imaginationsübung zum „Zimmer des inneren Friedens, in mir“ mit Verankerung. Die Kunsttherapie halfen mir bei der Bewältigung des Schmerzes sowie der Verankerung des positiven Gefühls weinen zu können und in mir selbst inneren Frieden zu finden. Ein fast mystisches Erlebnis in der Kirche unterstützte die Traumabewältigung ebenfalls.  

 

Danach konnte ich unendliche innere Ruhe spüren. Ich war so völlig leer – keine Hochspannung – und meine Beine hörten einfach auf wegzulaufen. Sie wurden still und in der Folgezeit, konnte ich sie durch kreuzen der Füße weiterhin beruhigen, wenn sie in Stresssituationen begannen wieder unruhig zu werden. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich durch diesen Prozeß begleitet wurde und nun Trauer und Tränen zulassen kann. Das der harte Klumpen Schuld, Angst, Verzweiflung und Hilflosigkeit, in diesem Thema, endlich der Vergangenheit angehört. Jetzt kann ich frei mit meiner Tochter im Herzen leben.

 

Ein weiterer harter, sehr harter Brocken, der in den letzten Wochen noch angegangen wurde, war das Thema Wut. Meine Wut sollte ebenfalls den Weg aus mir heraus finden. Wut, die ich sehr wahrscheinlich mein ganzes Leben lang unterdrückt und in einem besonderen Topf gesammelt habe. Ich sollte mich im Boxen-Einzel probieren. Das lehnte ich mit ganzer Seele ab. Doch ich kam nicht drumherum. Ich führte es dann auch aus. Was blieb, waren nächtelange Alphträume, Ekel und Wut auf mich selbst. Ja, die Wut und der Ärger hatten ihren Weg in meine Gefühlswelt gefunden. Wut die sich dann auch heftigst entlud. Wut die mich voll erfasste und mich aus der Bahn warf. Ich bestand nur noch aus Angst, Angstkotzen, Wut und Ekel. Selbst in meinen Bildern, aus den Kunsttherapie, sprang die Wut heraus. Ein Therapeutengespräch fing mich sehr gut auf. Ich habe lange Zeit benötigt, um zu begreifen, dass diese Konfrontation notwendig und wertvoll war. Aber nochmal möchte ich nicht boxen. Jetzt sind auch meine Gefühle Wut und Ärger da und ich kann lernen auch diese anzunehmen, damit umzugehen. Ich denke jetzt werde ich irgendwann alle meine Gefühle zurück bekommen und das war mir diese harte Übung wert.

 

Imagination und PMR in der Gruppe sind mir nicht gelungen. Imagination funktioniert nur in meinen eigenen Themen. PMR ist noch zu früh gewesen und Musik, die ich nicht aushalten kann verhinderte wirkliches erleben. Dramatherapie, Ergotherapie, Körpertherapie und die Kunstherapien waren für mich Seelenstunden. Sie waren anstrengend, haben aber stets ein positiven Effekt hervorgebracht. Die verschiedenen Sichtweisen und Arbeitsweisen waren wohltuend, spannend und erkenntnisreich.

 

Meine Verabschiedung (die Worte der Therapeuten) und die Auswertung meiner Themenzentrierten-Kunsttherapie-Gruppe brachte mir dann Erkenntnisse, die mich selbst überraschten und mir Kraft und Mut auf meinem weiteren Weg gaben. Ich hatte so viele positive Worte gehört und dann hörte ich mich zum ersten mal selbst reden. Natürlich überlege ich immer, wenn ich etwas sage. Aber ich nehme nicht wirklich wahr, was ich sage. In der Auswertung war das anders. Ich hörte mich selbst und war überrascht, was für Gedanken und Erkenntnisse aus mir heraus sprudelten. Zum ersten mal wurde mir bewusst und ja ich fühlte es und kann es annehmen, dass ich wirklich gute Erkenntnisse habe, mich gut reflektieren kann, schlaue Sätze über mich selbst sage und am Ende verwundert denke: Oha, ich kann wirklich viel. Aus diese Auswertungsstunde wird für mich in Erinnerung bleiben. Zu heftig war meine Überraschung und die Erkenntnis.

Von welchen therapeutischen Angeboten profitierte ich besonders?

Diese Frage kann ich nur so beantworten. Ich habe von allen therapeutischen Angeboten, die ich in Anspruch genommen habe, profitiert. Ich habe überall wertvolle Erkenntnisse gewonnen, Kenntnisse und Erfahrungen sammeln können, mich selbst einbringen können. Ich denke über die Verbindung aller Therapieangebote, ist mein Therapieerfolg gewachsen.

 

Was habe ich selbst zu therapeutischen Veränderungen beigetragen?

Das ist eine schwere Frage. Ich denke, ich habe alles versucht, alles ausprobiert. Ich war offen für Neues und für Auseinandersetzungen. Ich hatte den festen Willen mich einzulassen, anzunehmen, zu lernen, zu üben und zu kämpfen.

 

Welche Übungen führte ich selbständig durch?

 

  • Imagination – Mein Zimmer des inneren Friedens

  • Wut-Ball-Übung

  • Spiegel-Übung

  • Ball-Jonglieren einfach
  • Diskrimination

  • Verhaltensanalyse/Reflexion

  • Anwendung von Regluationsübungen (Skills)

Was ist der nächste konkrete Schritt, den ich angehen möchte?

Ich habe jetzt den Mut, ohne Therapie, in mein Leben zu gehen. Ich weiß, ich kann nicht alles. Na und, die Welt dreht sich trotzdem. Ich weiß, bin noch nicht Angstfrei. Na und, die Welt dreht sich trotzdem. Ich weiß, es wird über Berg und Tal gehen. Na und, die Welt dreht sich trotzdem. Ich mache mir meine Welt wie sie mir gefällt. Ich werde nehmen was ist, üben was nicht ist, meine Huske (Todo) – Liste beachten und das Beste aus meinem Leben machen. Das Leben ist auch mit Behinderung schön. Punkt. (Oha, ich bin heute sehr mutig.) Ich werde es versuchen! Das Netz ist noch da. Gehen möchte und soll ich jetzt allein.

 

Ich weiß nicht ob ich wirklich alles erkannt habe, was ich erreicht bzw. geleistet habe. Doch ich bin glücklich über das, was ich erreicht habe. Es ist weit mehr, als ich jemals erhofft habe. Zu meiner Überraschung ist nicht ein Punkt aus der Ziel-Checkliste unerreichbar geblieben. Oder meine Sichtweise hat sich auch hier verändert. Das ist mir gerade nicht ganz klar.

 

Heike Pfennig

geschrieben am 06.03.2019


Nachsatz-Erkenntnis

Nun sind schon ein paar Wochen ins Land gezogen. Mir geht es immer noch gut, auch wenn ein Bild geblieben ist, welche ich nicht mag. Es jagt mich in meinen Träumen. Mir gelingt es, durch die Anwendung gelernte Übungen, dieses Bild so klein zu halten, dass es mir nicht die Tage zerstört. In meiner ambulanten Nachsorge - Therapiestunden haben wir vereinbart, das Bild in einem IRRT anzuschauen, da ich es nicht in den TRESOR verbannen kann.

Ich habe mich allein gelassen gefühlt und Angst vor meinem Weg ohne Therapie. Doch genau das ist ein Grund, warum ich jetzt ohne Therapie leben soll. Mein Leben bestand nur noch aus Therapie. Es besteht die Gefahr, dass ich ohne Therapie nie wieder leben kann. Es ist Fürsorge meiner Therapeutin bzw. der Therapeuten aus der Klinik. Sie möchten das ich jetzt lebe, einfach lebe. Verantwortung für mich übernehme. Sie sind sich sicher, wenn ich mir selbst vertraue, selbst meine eigenen Kenntnisse und Erkenntnisse annehme, diese übe und anwende, kann ich gut leben. Sie sind der Meinung, ich habe genug Wissen, Stärke und jetzt auch Selbstvertrauen, dass es mir gelingt Erlerntes selbst umzusetzen, für mich selbst zu sorgen. Für einen weiteren stationären Intervall - Aufenthalt bin ich nicht genug beeinträchtigt. Was nicht heißt ich bin gesund. Ich bin in der Lage, für mich zu sorgen und mit der Beeinträchtigung gut zu leben. Wenn mich ein Trauma heftig einholt, ist die Tür der Klinik geöffnet.

 

Ich möchte leben, wie es mir gefällt - mit Depression und Trauma. Ich werde mein Bestes geben.