Leben wie es mir gefällt ... Das Leben unter der Käseglocke "Klinik" ist anders. Das Leben draußen ist anders. Anders. Leben. Was bleibt? Das Leben, wie es ist.

Leben wie es mir gefällt ...

Leben wie es mir gefällt ... Einfach gesagt und schwer getan. 6 Wochen nach der Klinik geht es mir noch immer gut, besser als vorher.

Doch leben wie es mir gefällt? 

 

Mein Leben ist anders. Ich gebe dem Tag mein Bestes. Es gibt solche und solche Tage, meine Symptome sind wieder da, neue hinzugekommen und ich übe einige meiner Dinge (Handwerkszeug) die ich in der Klinik gelernt habe. Es gelingt mal so und mal so. Ja, ich bin aktiv.

Aber leben wie es mir gefällt?

 

Mein Leben ist anders. Klinik ist anders. Draußen ist anders.

Klinik - Leben unter einer Käseglocke

Das Leben in der Klinik war auf die Therapien ausgerichtet. Die Zeiträume dazwischen brauchte ich für Erholung. Viel Außerklinische Aktivität gab es nicht. Mir fehlte die Kraft.

 

So war der Kontakt zu anderen Menschen oder Situationen immer Klinik-bezogen. Die Menschen um mich herum waren entweder Patienten oder Personal von Küche bis Therapeut. Alle Kontakte waren zu Beginn schwierig. Doch sie hatten etwas gemeinsam. Sie waren alle Betroffene, mit unterschiedlicher Wahrnehmung und Problemstellung. Ich lernte Menschen zu vertrauen, die negative Abgründe selbst gut kannten. Viele von ihnen waren mitfühlend, zugewandt und verständnisvoll.  Darüber hinaus waren die Kontakt meistens begrenzt.

 

Die meisten Situationen bezogen sich auf Therapieangebote in unterschiedlichen Konstellationen, Personal-Kontakte und verordnete Spaziergänge unweit der Klinik. Nach Draußen ging ich nur selten. Sparkasse, Konsum, Elbufer und zur Regulierung des Traumas in die Altstadt. Ein paar mal war ich in der Neustadt unterwegs (neue Skills kaufen) und am Wochenende mit Michael. Ich hatte zu zwei Mitpatienten näheren Kontakt und verbrachte mit ihnen zwei Nachmittage außerhalb der Klinik. Trotzdem war es ein relativ abgeschirmte Leben. Von Draußen drangen nur wenige Meldungen zu mir. Ich hatte kein Radio und keinen Fernseher an. Die einzige Verbindung nach Draußen war Facebook. Doch auch dort waren alle Nachrichtenseiten gesperrt und es war wenig Zeit dafür.

 

Es war für mich ein "ruhiges" Leben. Keine Alltagssorgen. Kein Alltagsstress. Keine Alltagsaufgaben mit Druck zur Erledigung. Keine Nachrichten aus aller Welt. Ich konzentrierte mich auf mich selbst und meine Therapie. Darauf war ich ausgerichtet und es führte mich zum Erfolg.

Gehen sie raus und leben. Sie können das!

Ich habe in der Klinik sehr deutlich gespürt, erlebt und selbst erkannt, dass ich ein guter Mensch bin, unschuldig bin, ich sehr viel weiß, schlaue Erkenntnisse und Erfahrungen teile und empathisch bin. Mehrfach haben dies Therapeuten wie Patienten geäußert. Ich selbst wurde es mir bewusst, als ich mir selbst in der Kunsttherapie-Auswertung zuhörte. Ja, ich kam gestärkt aus der Klinik. Gestärkt im Selbstbewusstsein und vor allem im Selbstvertrauen.

 

Doch das Leben hier DRAUßEN ist anders. Alles prallt ungefiltert und direkt auf mich ein. Vielfältige Töne, Geräusche, Alltagsaufgaben, Aktivitäten, Nachrichten aus aller Welt, Familie ... und all den Schwingungen.

Es ist so viel auf einmal. Bestimmte Symptome sind wieder da, die in der Klinik sehr selten auftraten. Ich bin müde, kaputt, antriebslos. Ich funktioniere, d.h. ich mache Arzttermine und gehe dann auch hin. Ich gehe raus, erledige Einkäufe, schaffe es sogar zu einer öffentlichen Lesung zu gehen, erlebe einen tollen Zingsturlaub, habe endlich wieder mal Zeit mit meinem Sohn und Familien-Osterzeit. Ja ich erlebe wirklich tolle Zeiten, versinke aber auch in graue Löcher. Ich habe permanent das Gefühl die Zeit rennt mir davon und ich komme nicht mit. Es schleichen sich wieder Selbstzweifel und Schuldgefühle ein. Leben wie es mir gefällt? Mit all den Beeinträchtigungen, mit all dem Kraftaufwand für Alltägliches, mit all dem Kampf gegen die neuen Attacken? Mit all meiner Wut? Mit all meinen Zweifeln? Mit all meiner Angst? Mit diesem Mangel an Freude und Erleben? Mit all dieser Kraftlosigkeit? ...

Es braucht keine weitere Therapie

"Sie brauchen keine weitere Therapie. Es besteht die Gefahr, dass sie Therapiesüchtig werden und ohne Therapie nie mehr leben können, aber auch keine weitere Verbesserung eintritt. Das heißt nicht, sie sind gesund!"

Ich selbst hatte schon darüber nachgedacht einen Therapiepause zu machen. Aber es bleibt die Angst. Es bleibt das Gefühl, nie mehr aus dieser furchtbaren Schleife heraus zu finden.  

 

Ich weiß selbst:

  • Ich bin nicht dumm. Ich bin schlau und habe viel Wissen und gute Denkweisen.
  • Ich bin stark. Wahrscheinlich sehr stark. Ich muss es nur endlich selbst glauben.
  • Ich kann mich wehren - Nein sagen!
  • Ich habe gutes Handwerkszeug erhalten, dass ich beherrsche.
  • Ich kann lernen, mit mir selbst, zu fühlen, mich selbst anzunehmen.
  • Ich kann auf MICH achten, meine Grenzen selbst  wahren bzw. dafür sorgen.
  • Ich muss Skills und Übungen anwenden, damit sie fester Bestandteil in mir werden und so schnell angewendet werden können, wenn sie notwendig sind.
  • Ich schaffe es selbst, in die Handlungsfähigkeit zurück.
  • Ich kann mein Wissen, meine Erkenntnisse und Fähigkeiten an mich weitergeben, diese annehmen und verinnerlichen.
  • Ich trage die Verantwortung für MICH zu sorgen, mir GUTES zu tun.
  • Ich habe die Verantwortung Gefühle wahrzunehmen, zu achten und anzuschauen. Alle Gefühlen haben ihre Berechtigung und dürfen sein.
  • Ich habe die Verantwortung zu mir selbst ehrlich zu sein, meine Einschränkungen anzunehmen bzw. zu beachten. 
  • Ich kann klar sagen was ich denke, zeitnah. Entscheidungen hinnehmen und unbesprochen in mich hineinfressen, ist unnötig.
  • ...

Damit ist klar:

  • Ich bin nicht gesund.
  • Ich muss weiter kämpfen, für MICH.
  • Beachtung meiner TODO-Liste
  • Ich kann leben wie es mir gefällt, mit meinen Einschränkungen, so gut wie möglich.

Was bleibt?

  • Angst nicht stark genug für das wirkliche Leben zu sein.
  • Angst mir selbst nicht genug Halt geben zu können.
  • Das Leben.
  • Das Leben, wie es ist.