Suizid ist nur eine Lösung! Suizid verweigert dir die Sonnenseiten des Lebens zu erleben. Warum? Weil es die Sonnenseiten auch für dich gibt!!! Du aber bist tot

Ja! Ich will dir sagen: Tod sein, ist KEINE Lösung!

Lieber Uwe,

vielleicht gelingt es mir nun endlich wirklich ein los zu lassen.  Deine Entscheidung wirklich anzunehmen und mir ein Stück Last, von den Schultern, zu nehmen.

Heute habe ich ein erstes (telefonisches) Gespräch zu einem Interview: Thema Suizid. Ich war mutig und habe die Anfrage angenommen. Warum? Keine Ahnung.

Vielleicht, weil ich heute weiß, hätte ich 1983 deine Möglichkeiten gehabt, wäre ich auch tot. Dann hätte ich die vielen schönen Erlebnisse nicht fühlen, sehen und hören können. Ich sehe in dein Gesicht und sehe deinen Unglauben. Ich sehe dich grinsen und höre dich lachen. Ich höre dich sagen: Ausgerechnet DU willst mir das sagen.

Ja! Ich will dir das sagen! Tod sein, ist KEINE Lösung!

Ich weiß sehr genau ...

Es ist ein weiter Weg, bis hin zu der Entscheidung tot zu sein. Das Leben hier und jetzt zu beenden. Es ist keine leichte Entscheidung und auch keine leichte Tat. Es ist weder feige, noch dumm. Ich kann dich so gut verstehen und ja, ich kann auch deine Entscheidung verstehen. Vielleicht hätte ich sie genau so! getroffen, wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre und deine Möglichkeiten gehabt hätte. Ich weiß es nicht. Was ich weiß, du hast die falsche Entscheidung getroffen. Was du nicht mehr sehen konntest, sehe ich noch.

 

Ich weiß sehr genau wie es ist, wenn das Leben über einem zusammenbricht.

Wenn

  • die "Große Liebe" stirbt, dass hässliche Gesicht des Partners immer deutlicher wird.
  •  jede klitzekleine Hoffnung auf Veränderung, langsam vor sich hin siecht und stirbt. 
  • Du Frau und Kind trotzdem liebst und nicht aufgeben willst. Sie aber längst aufgegeben haben.
  • du dich immer wieder wie ein Idiot fühlst, es aber gar nicht bist.
  • du immer empfindlicher wirst, aber es nicht sein möchtest.
  • du dich schwach fühlst, was für dich gar nicht in Frage kommt.
  • du aufgeben musst, was du nicht aufgeben möchtest.
  • du im Arbeitsleben auch noch Arschtritte bekommst, all die Ungerechtigkeiten erleben musst und sie nicht ändern kannst. Entscheidungen treffen musst, die widersinnig sind und morgen schon wiederholt werden. 
  • du das ENDE der unheilbaren Krankheit vor Augen geführt bekommst, sie immer stärker wird.
  • Menschen, die dir wichtig sind, sterben und dir sehr fehlen. Sie gaben dir den letzten Halt.
  • wenn ...

Ich weiß sehr genau, wie die innere Leere, die Hoffnungslosigkeit, die Wut auf das Leben und die Ausweglosigkeit immer und immer stärker werden, dir jedes Licht am Horizont nehmen. Bis die Dunkelheit dich völlig umschließt und nur der Tod noch, das Licht ist.

 

Ich will dir sagen, es ist NICHT das Ende ...

Ich, deine dumme große Schwester, die nichts im Leben auf die Reihe bringt, ich sage dir: Es ist nicht das Ende. Ich bin durch viele Täler des Lebens gegangen. Ich habe überlebt. Ja, auch wenn die Depression und die PTBS mich beeinträchtigen, ich will leben.

Hätte mich damals der Zug gefunden, dann hätte ich so viele schöne Dinge verpasst. Ja,  in meinem Leben gab es wunderbare Erlebnisse und Zeiten in denen ich glücklich war, auch wenn ich niemals MEIN Leben gelebt habe und immer auf der Suche war.

Ich hätte nicht erleben können,

  • wie meine Kinder geboren wurden und mit ihnen der Sonnenschein immer da war.
  • wie ich Hilfe erhielt und aus der Hölle meiner Gewalt-Ehe ausbrechen konnte.
  • wie ich die Liebe traf, auch wenn sie zerbrach, es waren wunderbare Zeiten.
  • wie meine Kinder groß und größer wurden.
  • wie viele wunderbare empathische Menschen in mein Leben traten und auch gingen.
  • wie viele schöne Erlebnisse es im Alltag gab, von Plätzchen backen bis Urlaub.
  • wie das Leben, an der Seite eines wundervollen Mannes sein kann. Eines Mannes der mir gut tut.
  • wie das Leben zu Zweit, trotz Depression, viele wunderbare Ereignisse, Erlebnisse und Momente hat.

Ich hätte nicht erleben können wie es ist, wenn man psychologische Hilfe annimmt und sich selbst neu kennen lernt. Ich hätte nicht erleben, fühlen, hören oder sehen können,

  • dass ich Hilfe annehmen kann, ohne Schwach zu sein.
  • dass ich lernen kann, mich selbst besser zu verstehen und für mich zu sorgen.
  • wie meine Gedanken und Worte anderen Menschen gut tun, sie diese wertschätzen.
  • dass es Menschen gibt, die MICH lieben und wertschätzen. Ja - MICH.
  • dass es Menschen gibt, die mich nicht klein machen, nicht auf mir rumtrampeln.
  • dass NEIN sagen, eine Wohltat sein kann und keine Aggressionen auslöst.
  •  dass mein Leben, trotz Depression, viele wunderbare Momente und Erlebnisse hat.
  • das mein Leben zu wertvoll ist, für MICH und andere, um es wegzuwerfen. 

Tief im Herzen brennt IMMER die Flamme des Lebens!

Lieber Uwe, auch du hättest die Chance gehabt, das Leben neu kennen zulernen. Du warst noch nicht zu alt. Es war noch nicht zu spät. Ich habe erst mit 45 Jahren Seiten des Lebens kennen lernen dürfen, die mir bis dahin verborge waren. Genau diese möchte ich nicht missen und sie sind es wert zu leben!

Von all dem wolltest du nichts wissen. Es war dir zu Spuki. Du hast jede Hilfe abgelehnt und das letzte Lichtlein des Lebens, in deinem Herzen, gelöscht. Ich vermisse dich. 

 

STOP - Der Tod ist kein Licht! Es ist immerwährende Dunkelheit im Nichts.

Der Tod beendet alles und nimmt dir jede Chance das Licht zu fühlen, zu sehen und auch zu  hören. Du wirst es erleben, wenn du Hilfe annimmst, wenn du dich besinnst und endlich anfängst für DICH und DEIN LEBEN zu kämpfen. Aufgeben ist keine Option.

 

Suizid - Ich rede darüber

Suizid, ein Tabu-Thema. Ich habe überlebt. Ich breche das Tabu und rede darüber. Heute kann ich es, dank meiner Traumatherapie. Ich möchte dir, lieber Uwe und allen anderen sagen: Das Leben lohnt sich! Auch wenn ich nicht weiß, wie lang der Tunnel der Dunkelheit (Depression ...) ist, immer wieder bricht Licht in das Dunkel und am Ende des Tunnels scheint die Sonne. Aufgeben ist keine Option. Es gibt Hilfe, nehmt sie an.

 

Text: Heike Pfennig

Foto: Jens Wittenberg