Wie ich die Zeit der Prostataoperation meines Mannes, die Zeit allein zu Hause, bewältigt habe. Die unglaubliche Geschichte von Armin und Renate

Meine unglaubliche Geschichte von Armin und Renate

Vorwort: Armin (80) und Renate (75) sind unsere netten Nachbarn, seit wir in Dresden wohnen. Wir grüßen uns, plauschen mal, haben die Wohnungsschlüssel für den Notfall getauscht, gießen die Blumen im Urlaub oder füttern die Fische.

 

Ich bin psychisch krank, leide an Depression und Posttraumatischer Belastungsstörung.

Mein Mann erhielt in diesem Jahr die Diagnose Prostatakrebs und musste, 7 Tage in die Uniklinik Dresden, zur Operation. Das waren die härtesten Tage in meinem Leben, seit ich 1983 mein Kind begrub.

7 Tage kam keine Nachricht für mich von unseren Kindern. Nicht nicht einmal ein buntes Bildchen per Whatsapp oder Telefon. Ich war psychisch in einer absoluten Notsituation und wurde ignoriert. Ich kämpfte mutterseelen allein mit meinem Gedankenchaos von Horror-Angst meinen Mann zu verlieren, Traumatriggern, Selbstzweifeln und den Fragen, warum die Kinder sich nicht bei mir meldeten. Ich musste diese 7 Tage, allein überstehen. Ohne meine Nachbarn hätte ich diese Situation, sicher nicht, ohne Psychiatrie-Noteinweisung oder gar Suizidversuch, überlebt.

 

Meine unglaubliche Geschichte erzählt von diesen 7 Tagen, in denen mein Mann zur Operation war.

Ich hatte zwei unglaubliche Menschen an meiner Seite, meine Nachbarn Armin und Renate. Sie waren in diesen Tagen meine Schutzengel. Ihre Geschichte möchte ich erzählen, am liebsten in die ganze Welt schreien.

Alles begann damit, dass Renate und Armin am Tag nach der Operation, in meinem Schlafzimmer standen. Ich hatte, nach 48 Stunden ohne Schlaf, den ganzen Tag verschlafen und damit meinen frisch operierten Mann in helle Aufregung versetzt.

 

Völlig benommen hörte ich die Worte meiner Nachbarin: „Entschuldige, dein Mann hat gesagt, wir sollen nachschauen ob alles in Ordnung ist. Er hat sich Sorgen gemacht. Er hat uns angerufen. Als du nicht aufgemacht hast, er gesagt wir sollen reingehen! Entschuldige bitte,“ sprudelten die Worte nur so heraus“ Meine Nachbarin war völlig aufgelöst. Ihr Mann stand unweit hinter ihr, schwenkte den Wohnungsschlüssel und bestätigte ihre Aussage noch einmal.

 

Puh, ich brauchte Kaffee und irgendwie musste ich meine Nachbarin Renate beruhigen. Sie war in höchster Aufregung, höchst besorgt um mich. „Soll ich dir nen Kaffee kochen? Brauchst du etwas? Hast du was gegessen? Möchtest du was essen, ich mache dir gern etwas? Hast du Hunger? Soll ich dir ein Brötchen aufbacken? Wir haben Kuchen gekauft, möchtest du ein Stück haben? ...

Ich beruhigte die Beiden. Ich hatte doch „nur“ verschlafen. Sie sollten sich keine Sorgen um mich machen. Im rausgehen, fragte mich Renate ein weiteres mal nach dem Kuchen, den nun doch dankbar annahm. „Wenn du deinen Mann anrufst, dann grüße ihn ganz lieb von uns...,“ sagte meine Nachbarin auf dem Weg in ihre Wohnung.

 

Von diesem Zeitpunkt an, waren beide in Alarmbereitschaft für mich. Jeden Tag, 5 Tage lang, wurde ich am Morgen mit einem warmen Brötchen verwöhnt. Nicht ohne zu fragen wie es mir geht, was ich vorhatte, ob ich etwas brauchte, ob sie einkaufen sollten, für mich etwas kochen sollten... Es war unglaublich, so eine Fürsorge und Empathie war mir, in meinen 58 Jahren nur selten begegnet. So manches mal war ich völlig sprachlos, auf was meine Schutzengel für Ideen und Fragen kamen. Es war wirklich unglaublich.

 

Auch wenn, es immer wenige ein paar Minuten waren, ein kurzer Fragenschwall, ein paar Minuten in der Küche oder ein kurzes Gespräch auf dem Balkon. Ich fühlte mich nicht allein. Ich wusste, ich brauchte nur etwas zu sagen und sie würden jede!!! meiner Bitten sofort und umgehend erfüllen. Dafür sogar ihre eigenen Vorhaben/Ausflüge zurück stellen. Ich war in Not und sie waren da. Ganz selbstverständlich.

 

In Wiederholung hörte ich Fragen wie: „Brauchst du etwas? Isst du auch? Sollen wir für dich einkaufen? Sollen wir dich in die Klinik fahren? Können wir etwas für dich tun? Du musste es nur sagen!“

 

Ich weiß gar nicht wie ich es schreiben soll, es war einfach unglaublich. Meine Nachbarn, im hohen Alter, ohne jegliche soziale Ausbildung, gaben mir mit ihren Worten Kraft und Mut, mit Worten wie: Wirst du es allein schaffen? Wir freuen uns, wenn du es allein schaffst! Wir freuen uns, dass du allein zurecht kommst. Aber du weißt... Oh, du bist ja schon wach und startklar. Du hast es ganz allein geschafft, das ist schön. Wir gehen jetzt schlafen, aber das Handy liegt da. Ruf an, wenn etwas ist! Wir haben ein Handy dabei, wenn was ist, ... dann kommen wir sofort. Selbst den Geburtstag ihres Enkelkindes, hätte sie verkürzt, wenn ich in Not gewesen wäre. Unglaublich aber wahr.

 

Möchtest du rüber kommen? Soll ich ein wenig hier blieben. Störe ich dich nicht? Fragen, die in diesen 5 Tagen, ebenfalls völlig normal waren. Sie wollten nach mir schauen, weil sie sich sorgten, aber wollten auch nicht stören. Unfassbare Empathie überströmte mich.

So manches Mal standen ihnen die Tränen der Freude oder des Mitgefühls in den Augen. Ich konnte ihre absolute Aufregung merklich spüren, egal welche Informationen wir gerade tauschten.

 

Wenn meine Nachbarn wieder gegangen waren, fragte ich mich mehrfach: Habe ich gerade richtig gehört? War das hier, wirklich Realität? Wollten die beiden allen Ernstes, wegen mir...?

 

Natürlich gehörten Grüße und Wünsche, sowie Daumen drücken und Nachfragen wie es meinem Mann geht, immer!! dazu. Selbstverständlich, ohne Frage, gehörte es sich, dass mein Nachbar sein Auto aus der Garage holte, seinen Sport absagte, um mit mir meinen Mann aus der Klinik abzuholen. Widerspruch war völlig sinnlos. Diese Zwei waren echt der Hammer. Schutzengel auf Erden.

 

Am letzten Abend vor der Entlassung, nahm ich das Angebot mitzuessen, an. An diesem Abend waren wir alle drei entspannt und tauschten dieses und jenes aus. Ich erzählte von dem unglaublichen, aber wahren Pathologiebefund, der nachwies, dass keine weiteren Krebszellen vorhanden waren. Beiden standen die Tränen in den Augen, vor Begeisterung und Anteilnahme. Wir teilten uns das Glück. Es war für mich so wahnsinnig warm, ihnen zuzuschauen, sie im Umgang miteinander zu erleben. Hier gab es etwas, was ich bei meinen Eltern niemals erlebt hatte und das umgab mich mit wärmenden Strahlen.

 

Ich bin überaus dankbar, für die Empathie unserer Nachbarn, Armin und Renate. Sie haben mir nicht nur geholfen, sondern mir auch gezeigt, dass es Menschen wie sie noch gibt. Ich das Glück hatte, zwei solche Menschen kennengelernt und ganz in meiner Nähe zu haben. Sie waren meine Schutzengel in diesen 6 Tagen Prostatakrebsoperation.

 

Ich bin mir sehr sicher, ohne sie hätte ich diese Tage, nicht ohne Not-Psychiatrie-Einweisung oder Suizidversuch, überstanden. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Kraft gehabt hätte, mich meinen Suizidgedanken zu erwehren. Das ist die ehrliche und harte Wahrheit. Ich habe mit Hilfe von Armin und Renate überlebt und bin so für einen anderen, irgendwann kommenden Krankheitsfall besser vorbereitet. Ich werde es dann hoffentlich, nicht ganz so schwer haben.

 

Die Depression und traumatisch bedingte Gedanken machen nicht einfach mal Stop, wenn der Partner schwer krank wird. Nein, sie machen das ganze emotional wie körperlich zu einer Höchstleistungsherausforderung, zu einer Notsituation. Ich habe überlebt, weil ich Hilfe hatte, weil ich Hilfe angenommen habe. Hilfe, von Menschen, außerhalb der Familie. Nachbarn. Einfach so.

 

Hilfe von Nebenan und von Herzen gegeben! Diese Erfahrung hat mir meine Gedanken bestätigt: Menschen, die Empathie besitzen, können auch mit Menschen die von Depression betroffen sind, problemlos umgehen.

Danke Armin. Danke Renate. Es ist fantastisch, dass es euch gibt! Eure Hilfe ist UNBEZAHLBAR.

Schön, dass es euch gibt!


Die ganze Geschichte kannst du bei Klara Regenbogen https://klararegenbogen-lebenswelten.jimdofree.com/ nachlesen.