Depression & Trauma trifft Prostatakrebs. Reflexion oder Diskrimination? Auf der Suche nach Antworten, für mich.

Depression & Trauma trifft Prostatakrebs

"Jeder normale Mensch, ist in einer solchen Situation, sehr betroffen und kippt um". Sie stehen noch," sagte meine Psychiaterin bei meinem Not-Termin. Sie sind sehr stark und sie schaffen es zu überleben.

 

Ja, ich habe überlebt. Es war die härteste Zeit, seit ich 1983 mein Kind begrub. Insbesondere die 7 Tage Krankenhausaufenthalt meines Mannes, waren Tage am Rand des Abgrundes. Ich habe sie bestanden, irgendwie. 

 

Ich habe für mich gesorgt, mich direkt meinen Triggern gestellt und andererseits hat mich die Depression/PTBS einfach still gelegt. Einerseits habe ich mich der Situation ausgesetzt, schlaflose Zeit mit Schreiben verbracht, um dann wieder einen ganzen Tag zu verschlafen. Es war wie es war.

Ein Trauma verbindet sich mit dem Jetzt

Die Traumaerinnerungen beginnen 1980, nach der Geburt meines 1. Kindes. Sie war viel zu klein, hatte zu wenig Gewicht und einen schweren Herzfehler. Sie lag auf der Intensivstation, wo ich sie erst vier Wochen später besuchen durfte. Da lag das kleine Würmchen und überall waren Schläuche, die mit den umstehenden Geräten verbunden waren.Niemand wusste zu dieser Zeit ob sie überleben oder wie lange sie leben würde. Sie wurde im August 1981 nach Hause entlassen und schaffte es noch 1,5 Jahre zu leben. Dann starb sie im Februar 1983 in meinen Armen. 

 

Jetzt war mein Mann im Krankenhaus. Er wurde operiert. Eine schwere Operation, die auch mit Risiken verbunden war. Auch er lag auf der Intensivstation. Es war 2019, eine Zeit in der so eine Operation sehr oft gemacht wurde und niemand daran gestorben war, wie mir der Chefarzt erklärt hatte. 

 

Mein Besuch auf der Intensivstation

Ich wusste sehr genau, dass mein Besuch auf der Intensivstation, hart würde. Schon der Weg dorthin war ein Herausforderung und nicht ganz ungefährlich. Ich schaffte es. Angekommen, musste ich noch warten, obwohl ich schon eine Stunde zu spät war. 

Die Wartezeit war die Hölle und schon da liefen mir die Tränen. Der Chefarzt selbst, holte mich dann herein und schon bei seinen ersten Worten, drehte ich fast durch. Was er mir erzählte hörte ich nicht wirklich. Irgendwas war los, aber nun war alles ok. So viel verstand ich.

Angekommen am Zimmer, erblickte ich meinen Mann. Ein Schock. Ich drehte sofort um und suchte mir eine Ecke, um mich zu regulieren. Hilfe wie sah er denn aus. Die Gesichtsfarbe, der Anblick da im Bett. Furchtbar. Natürlich standen sofort drei Leute um mich rum. Das machte meine Situation noch schlimmer. Da nun natürlich sofort meine Selbstvorwürfe losdonnerten. Es kam, wie es kommen musste, ich dissoziierte. Ich wurde aus der Dissoziation herausgerissen, weil man mich an der Schulter berührte. Ich schrie die ganze Station zusammen. Oh, mein Gott, wie peinlich. Der Chefarzt hatte nun schon das Telefon bereit. Ich nahm ein Glas Wasser, erklärte was gerade passiert war, dass meine Beine immer so waren, nahm einen Stuhl und setzte mich. Dann bat ich die inzwischen 5 Personen, doch bitte zu gehen, weil sie alles verschlimmerten. Ich musste mich allein regulieren, dabei konnten sie nicht helfen. Ich musste in das Zimmer, egal wie.

Dann war ich allein und schaffte es mich soweit zu regulieren, dass ich es bis an das Bett, meines Mannes schaffte. Nicht wirklich toll. Ich stand heulend da und streichelte ihm am Arm. Sein Anblick, die ganzen Geräte und an jedem Finger ein Zugang. Ich wurde fast verrückt. Er war kaum ansprechbar und furchtbar müde. Seine Augen verleierten (verdrehten) sich beständig. Nach fünf Minuten ging ich, da er schlafen wollte. Vor der Station brach ein Heulkrampf los. Aber mit dem fixieren darauf, dass ich jetzt unter Leute musste, Bahn fahren musste, gelang es mir diesen zu bändigen. Ich schaffte auch den Rückweg, irgendwie. Zu Hause angekommen brach die Hölle in mir aus. ...

Worin bestanden die Verbindungen

Ich war allein. Ich musste die Situation allein bewältigen. Ich war allein, als mein Kind starb und ich war allein, als mein Mann zur Operation musste.

Im Vorfeld der Operation hatte meine Familie und andere versucht mich zu beruhigen, mit Worten wie: 

es gibt Schlimmeres... , die OP wird häufig gemacht... , es wird alles wieder gut... , hab keine Angst alles wird gut... , er ist dort in guten Händen... .

Das kam mir alles sehr bekannt vor. Damals bekam ich ähnliche Worte gesagt, wie: stell dich nicht so an... , sie ist krank, dass sieht man ihr gar nicht an..., das wird schon..., du brauchst keine Angst haben..., ... Dann war sie tot. 

Damals wie heute bekam ich das Gefühl vermittelt, ich wäre mit meiner Angst allein, nur ich hätte so ungeheure Angst, keiner sieht die bestehende Gefahr, ... 

Damals wie heute fühlte ich mich der Situation hilflos ausgeliefert. Ich konnte es nicht ändern. Nein, ich konnte meine Horrorangst nicht bändigen. Sie war berechtigt, damals wie heute. Heute nach der OP, hatte etwas alle in Aufregung versetzt. Wie damals sagte mir niemand, was wirklich passiert war. Ich musste mit den Brocken leben, die mir hingeworfen worden.

Damals wie heute, war die Familie weit weg und auch nicht wirklich bei mir. Nicht mal eine Antwort war ich wert. Ich war allein, in meiner Angst gefangen. Mutterseelenallein, genau wie damals.

Trauma-Konfrontation war richtig

Trotz allem gehe ich sicherlich aus dieser Situation, auf eine Weise, gestärkt heraus. Ich habe überlebt. Ich habe es geschafft auf die Intensivstation zu gehen und bin heile nach Hause gekommen. Ich lerne langsam, mit den Gegebenheiten zu leben, den Anblick zu ertragen. Meine Seele lernt langsam. Lernt, dass die Vergangenheit, nicht Jetzt ist. Das wird es mir beim nächsten Mal leichter machen. So hoffe ich.

Nach der OP zu Hause

Da ich keine andere Erinnerung habe, als an die meines Kindes damals, denke ich,  dass all meine Hilflosigkeit und mein "Nicht können", auf dieses Trauma zurück zu führen ist.

 

Ich konnte nicht hinsehen, konnte die Katheterableitung nicht ansehen. Sie hing am Bein entlang hinunter zum Auffangbeutel. Für mich eine Katastrophe. Erst einen Tag bevor der Katheter gezogen wurde, konnte ich den Anblick ertragen. Wenn ich nur daran dachte, wie es weiter oben aussieht (geschwollen, grün und blau) drehte sich mein Magen um. 

Die Thrombose-Spritzen hätte ich selbst setzen können. Doch es war und ist unmöglich. Ich kann die Spritze nicht einmal anfassen. Dann noch den Arm abbinden und die Spritze setzen. Unmöglich.

Selbst den Pflegedienst herein lassen und aushalten war zu Beginn eine hohe Belastung, die ich kaum aushielt. Heute ist es besser und ich kann manchmal ein Wort wechseln. Aber dann ziehe ich mich aus der Situation heraus. 

Die Operationsnarbe mit Heilsalbe einreiben und massieren ist ebenfalls nicht machbar. Ich könnte sofort losschreien, wenn ich sie beim Salbe drauf kleckern zufällig berühre.

Dissoziationen zeigen meine Überforderung an

Immer wieder, holt mich mein Mann, aus den Dissoziationen. Schon ein Ruf nach mir, ein Geräusch... ,bringt mich in helle Aufregung. Ich bin völlig überfordert mit der jetzigen Situation. Dazu kommt noch, dass jetzt die völlig Überlastung in der Woche, wo mein Mann im Krankenhaus war, ihr Tribut fordert. Ich glaube, ich bin in der einen Woche um 10 Jahre gealtert. So allein gelassen. 

Jetzt habe ich das Gefühl, ich würde zerbrechen, wenn ich etwa tue oder tuen muss. Es ist als habe ich einen Felsen auf mir, der mich herabdrückt und doch muss ich irgendwie funktionieren, wenigstens etwas. 

 

Es wird erwartet und ich muss funktionieren, wenigstens etwas. Mein Mann kann nicht alles und bestimmte Dinge muss ich nun übernehmen. Nein es ist nicht viel und doch ist es viel. Für mich.

Ich bin so unendlich müde. Geräusche, Worte, mein Tun - alles ist zu viel. Ich bin so unendlich müde. Es ist keine Zeit zum depressiv und müde zu sein. Mein Mann ist frisch operiert. Ich bin der Klotz am Bein, meines frisch operierten Mannes. Ich will. Doch ich bin so müde.