Prostatakrebs&Trauma - Fluch & Chance - Für uns war es auch eine Chance.

Für UNS! war Prostatakrebs auch Chance

Jedes mal, wenn ich las "alles hat seinen Sinn", fragte ich mich wie Krankheiten einen Sinn machen. Mit der Depression wurde mir bewusst, ja in diesem Fall macht es Sinn. Die Depression gibt mir die Chance mich selbst kennen zu lernen und Dinge zu verändern, die mir nicht gut tun.

 

Aber wo lag der Sinn vom Prostatakrebs, meines Mannes. In den letzten Tagen sind dazu Gedanken und Erkenntnisse in meinem Kopf aufgetaucht.

 

Ja, auch die Diagnostik, die Operation und die  jetzige Zeit nach der Operation machen sehr viel Sinn. Auch der Krebs gibt, in unserem Fall, NEUE Chancen für unser gemeinsames Leben und für mich, in meinem Leben mit Depression und Trauma.

Die Chance überaus viel Glück zu erfahren!

Wir hatten unheimlich viel Glück auf dem Weg der Diagnostik bis hin zur Operation. Darüber habe ich schon geschrieben. Nun kommen neue Erkenntnisse, Erfahrungen und GEFÜHLE hinzu.

  1. GEHEILT ENTLASSEN!  Der Krebs liegt in der Pathologie. Der Pathologie-Befund ergab:  Alle Karzinome befanden sich innerhalb der Prostata, ohne die Prostata nach Außen zu beschädigen. Ohne Schäden im umliegenden Gewebe oder an Harnleiter, Niere, Blase ... zu hinterlassen. Auch die Streuung vom Krebs konnte ausgeschlossen werden.
  2. WIR DURFTEN SCHUTZENGEL KENNENLERNEN!
  3. WIR HABEN JA UNS UND WIR LEBEN! SIND WIEDER GESUND! 
  4. WIR HABEN ZEIT, GEMEINSAM DAS LEBEN ZU GENIEßEN!
  5. WIR HABEN ZEIT FÜR VERÄNDERUNG UND AKZEPTANZ!
  6. ICH HABE ZEIT FÜR NEUE ERFAHRUNGEN UND FÜR TRAUMA-VERARBEITUNG!

Die Chance neue Erfahrungen zu sammeln!

Unser Weg in der Diagnostik, über die Operation bis heute hat uns noch tiefer spüren lassen, wie sehr wir Beide verbunden sind. Unsere Beziehung ist klarer, deutlicher und bewusster geworden.

  • Vor allen haben wir Erfahrungen gesammelt, wie wir selbst diese Situation bewältigen, meistern, aushalten können und was es dafür braucht.
  • Wir konnten erste Erfahrungen sammel, wie es einmal sein könnte, wenn wir alt und pflegebedürftig sind, oder einer von uns verstirbt, den anderen allein zurück lässt.
  • Deutlich spürbar wurde, welchen Stellenwert wir,  innerhalb der Patchworkfamilie, haben.
  • Gemeinsame Absprachen waren notwendig,  was es nun nach der Operation brauchte und diese ausprobieren.
  • Wir bemerkten an welchen Stellen Stauraum oder kleine Alltagshelfer fehlten.
  • Wir sammelten erste Erfahrungen mit einem Pflegedienst.
  • Wir durften Menschen kennen lernen, die überaus emphatisch sind und selbstverständlich helfen. 
  • Ich konnte traumatische Trigger selbst regulieren und aushalten.
  • Ich habe mich meinen Suizidgedanken entgegen gestellt. Ich will leben!

Die Chance uns bewusst zu werden, das Leben ist endlich. Vielleicht morgen schon.

Wir haben für uns erfahren, dass das Leben endlich ist. Gedanken, die mein Mann sehr gut und erfolgreich weg geschoben hatte. In mir kreisten schon lange solche Gedanken. Mein Mann ist einige Jahre älter, auch er wird mal krank werden, Männer sterben früher... . Wie soll ich schaffen ihn zu pflegen, wenn ich nicht mal richtig für mich selbst sorgen kann? Ich hatte Angst. Ich lehnte diese Gedanken ab. Nein, dass durfte nicht sein. Doch diese Angst ist immer da.

 

Es war ein Hammerschlag für uns, dass so eine schwere Erkrankung schon jetzt auf uns niederschlug.

"Für diese Krankheit sind sie noch sehr jung", hörten wir von den Ärzten. Hätten wir den PSA-Wert-Test nicht gemacht, wer weiß wie lange wir noch in dem Glauben gelebt hätten, beide gesund zu sein? Irgendwann hätte sich der Prostatakrebs gemeldet und dann wäre es nicht so "glimpflich" ausgegangen. Alle drei Karzinome waren im Wachstum, damit ist klar, sie hätte sich irgendwann über die Prostata hinaus ausgebreitet und gestreut.

 

Mit einem Hammerschlag wurde uns klar, dass die Realität eine andere ist und das Leben eigene Wege geht. Ein kräftiger agiler Mann, mit beiden Beiden voll im Leben, hörte: "SIE HABEN PROSTATA-KREBS". 

Die Chance zu verändern

Wir haben die Diagnostik, die Operation und die Nachsorge gemeistert. Beide haben wir überlebt.

Niemand, der nicht selbst schon einmal in so einer Ausnahmesituation war, kann wirklich erfassen wie tiefgreifend so eine Krebs-Diagnose ist. Wenn die Diagnose, den Menschen an meiner Seite trifft, ist es der absolute Horror. 

 

Nun haben wir es geschafft.

"Wir haben ja uns und wir sind gesund", waren die ersten Worte meines Mannes, als er zu Hause war. "Wir haben noch viel Zeit gemeinsam zu leben, wie wir es möchten." 

 

Immer und immer wieder tauschen wir unsere Gedanken miteinander aus: Was wollen wir jetzt im Leben? Wohin wollen wir gehen? Welche Vorhaben, Pläne sind in unseren Gedanken? Intensiver erlebe ich den Austausch unserer Gefühle und innersten Gedanken. Sehr bewusst erlebe ich jetzt das Leben, immer im Bewusstsein meiner Dankbarkeit dafür. Gemeinsame Zeit genießen, mit allen Sinnen, so gut ich kann. 

 

Wir lernen uns neu kennen, weil die tiefsten Gedanken nun an der Oberfläche sind. Wir sind achtsamer im Umgang miteinander. Wir sind ehrlicher, weil wir jetzt noch mehr darauf  achten, unsere Gedanken auszusprechen, sie miteinander zu teilen und uns dabei immer wieder zu finden.

Es sind Veränderungen die wir beide wahrnehmen, weil es jetzt anders ist. Es ist unbeschreiblich. Es ist tiefer, tiefer im Herzen, tiefer in der Seele.

 

Ja, auch Männer können über Gefühle und Befindlichkeiten sprechen. Sie können es lernen. Sie können sich eingestehen, dass sie schwach sind und Hilfe brauchen. Sie können lernen Hilfebedarf klar auszusprechen und vor allem Hilfe annehmen, ohne sich dabei als Schwächling zu fühlen. Mein Mann erlebt jetzt, dass es Dinge gibt, die noch schwierig sind oder auch unmöglich, weil seine derzeitigen Grenzen überschritten werden. Er erlebt jetzt, wie sein Körper Ruhe einfordert, Schlaf einfordert. Aktivitäten nur, zeitlich eingeschränkt, möglich sind.  Es ist ein wenig wie mit der Depression, nur er hat eine große Narbe über den Bauch, die anzeigt das er krank ist.

 

In dieser Ausnahmesituation, in meinen Erfahrungen, Erlebnissen und der erfahrenen Ausgrenzung, stand mein Mann 200% hinter mir. Das war unglaublich, weil unerwartet. Diesmal hielt er nicht beide Hände über seine Kinder. Nein, auch mein Mann war enttäuscht und mitgenommen. Ich hatte meine Emotionen und Gedanken aufgeschrieben, um diese den Kindern mitzuteilen, damit vielleicht Veränderung zu erreichen. 

"Der Brief bleibt wie er ist", sende ihn ab. Diese Worte zeigten mir seine Veränderung. Endlich stand er voll hinter mir, gab mir das Gefühl von Sicherheit und Halt. Es tat mir unendlich gut. Ich brauchte nichts mehr zu verstecken, gar nichts mehr. Wunderbar!!! 

 

Wir leben jetzt noch intensiver und tiefer verbunden miteinander. Wir spüren, dass wir zusammen gehören, tief in unserer Seele. Wir sind uns jetzt wichtig. AM WICHTIGSTEN!  

 

Ich glaube, wir sind uns dankbar. Einfach so dankbar, dass es uns gibt, im Miteinander.

Wir nutzen unsere Chance der Veränderungen, für ein noch tieferes Miteinander im bunten Leben.

Die Chance traumatische Erlebnisse zu verändern

Für mich war es die Chance zu erkennen, dass meine traumatisch bedingten Handlungsweisen und Trigger, sehr weitreichend sind. Weiter, als ich bisher dachte. Es spielten unglaublich viele Faktoren eine Rolle und viele Trigger vielen über mich. Ich habe gekämpft. Habe mich bewusst traumatischen Themen gestellt, diese ausgehalten und bewältigt! Ich habe erfahren, dass sie sich positiv verändern. Langsam, ganz langsam lerne ich damit besser!!! zu leben. Es dreht sich nicht mehr beständig, sofort mein Magen um.

Dissoziationen zeigen jetzt deutlich, meine Grenzüberschreitungen. Trotzdem sage ich: ich bewältige es gut. So gut ich kann.

Mir ist bewusst geworden, wenn die Depression bleibt und eine weitere, langwierige Krankheit kommt, brauche ich Hilfe und Unterstützung. Ich kann es nicht. Betreutes Wohnen oder Hilfe im Alltag sind dann sicherlich Dinge, die ich klären muss.

Jetzt ist leben dran. Leben so gut ich kann. Leben mit meinem besten Ehemann der Welt. LEBEN!!!

 

Dieses Thema arbeite ich in einem weiteren Blog auf (siehe Link).