Abschied & Neue Wege gehen. Meine Entscheidung. Meine Verantwortung für mich selbst.

Abschied & Neue Wege

Heute habe ich mich entschlossen, mich zu verabschieden. Ich verabschiede mich von der Traumaklinik und meiner ambulanten Traumatherapeutin.

Ich lasse los, um neue Wege zu gehen. Wege, die gehe, auch wenn sie meiner bisherigen Therapeutin nicht gefallen und auch der Schluss-Aussage der Klinik nicht entsprechen.

Ich werde mir eine neue Therapeutin suchen und weiter an meinen Problemthemen arbeiten. Die 6 Tage in der absoluten Ausnahmesituation und das vorbeischlittern an einer Retraumatisierung lassen mich diese Entscheidung treffen. Ich übernehme Verantwortung für mich.

Abschiedsbrief an meine Therapeuten

Werte Frau ..., 

ich habe ALLEIN, die schlimmsten Tage meines Lebens, seit dem Tod meiner Tochter 1983, überlebt. Heute blicke ich zurück, mit Stolz. Ich habe es geschafft und darüber hinaus auch Veränderungen erreicht.  In dieser Phase, war mein Psychiaterin krank, die neue Therapeutin krank und Sie waren im Urlaub. Ob ich wollte oder nicht, ich musste allein durch diese absolute Ausnahmesituation. 

 

Zum Thema:

In meiner letzten ambulanten Therapiestunde, war klar, ich kämpfte gerade damit, die Prostatakrebsdiagnose meines Mannes zu bewältigen. Das war ein harter Kampf und ich habe die Zeit der Prostata-Diagnostik bewältigt. 

"Wir können Akut-Therapiestunden beantragen..., ... wenn sie denn Hilfe bräuchten", "... Menschen in ihrem Alter werden auch mal krank, finden sie sich damit ab... ."  Sätze dir mir hängen geblieben sind, für mich wie Ohrfeigen waren und mir eine Anfrage auf Akut-Therapiestunden verwehrten. Auch meine neuen Störungen, wie die furchtbare Angst im Rücken und meine unsagbar heftige Wut und dass ich immer noch mit der Box-Therapiestunde kämpfte, waren kein Grund weitere Therapiestunden in Erwägung zu ziehen. 

 

In einer für mich hoch schwierigen Zeit, fühlte ich mich allein gelassen und abgewiesen. Meine Traumatherapiezeit war vorbei, weil ich leben sollte, einfach so. Leben ganz ohne Therapie. Sie hatten das Vertrauen in mich, ich könnte es. Es war unerheblich, was da gerade über mich hereinbrach, mich umwarf . Oder habe ich wieder nicht richtig gedacht und gefühlt, nicht die richtige Frage gestellt? Ich weiß es nicht.

 

Bis heute verstehe ich nicht, warum die Entscheidung getroffen wurde, jede Therapie zu beenden. Selbst dann noch, als sich meine Situation akut verändert hatte (für mich). In der letzten Therapiestunde haben sie noch einmal klar ihr Unverständnis ausgedrückt, dass ich meine Ergotherapie fortsetze und im September ein Erstgespräch bei einer neuen Therapeutin habe. Mein Psychiaterin hat mir dazu geraten.

Nein, ich konnte nicht fühlen, dass ich in der Klinik noch immer eine Haltestelle hatte oder habe. Ich fühle mich abgewiegelt. Ich war nicht beeinträchtigt genug für eine weitere ambulante Therapie und Intervall-Aufenthalte. Andere Patienten, im hohen Alter, kommen zu 8. mal. Mir wurde dieser Weg verschlossen.

 

Heute habe ich auch die 6 schlimmsten Tage überlebt. Es waren die Tage der Prostata-Krebs-Operation. Ich stand völlig allein da. Ich habe selbst eine Trauma-Konfrontation gewagt, weil mir klar war, wenn ich es nicht tun würde, würde es niemals anders. Ich würde bei der nächsten Operation, mit den gleichen furchtbaren Beeinträchtigungen kämpfen. Ich habe, auch in diesen Tagen, meinen Suizid-Überfall-Gedanken widerstanden.

 

Ausgerüstet war ich mit meinem Notfallkoffer und einer griffbereiten Karte "Bitte in die Psychiatrie bringen". In diesen 6 Tagen und Nächten, habe ich insgesamt 6 Stunden geschlafen. Ich habe geschrieben und ein neues Projekt gestartet. Ich durfte meinem Kopf nur wenig Freiraum gewähren (Kaffeepausen),  da er sofort durchdrehte. An Essen war gar nicht zu denken, der Magen behielt nichts bei sich.

Ich schaffte es, in der Familie allein gelassen, mit Unterstützung meiner wundervollen Nachbarn. Ich habe überlebt.

 

Die Intensivstation war grausam. Zu Hause konnte den Pflegedienst nicht ertragen, der kommen musste, weil ich die Thrombose-Spritze nicht mal in die Hand nehmen konnte. Ich konnte die Narbe nicht sehen und schon gar nicht einsalben. Ich musste lernen die Zuleitung zum Harnbeutel am Bein anzusehen... All diese Dinge triggerten mich hart, auch wenn mir nicht klar ist warum. Dissoziationen und Kreislaufprobleme waren häufig.

 

Heute weiß ich, ich bin haarscharf an einer Retraumatisierung vorbei geschrammt. Ich habe überlebt und mein Mann ist als geheilt entlassen worden. Ich habe das Verhalten der Familie nicht wortlos hingenommen, sondern ihnen klar mitgeteilt, was ich dachte und fühlte. Zum ersten mal hat mein Mann, gegenüber seinen Kindern, 200% hinter mir gestanden! Ich habe gute Veränderungen erreicht. Ich habe für mich gesorgt.

 

Jetzt fährt mein Mann zur Reha, allein. Ich habe so entschieden. Es tut mir gut und ich bin mir sicher, ihm tun 3 Wochen konzentrierte Zeit für sich gut.

 

Ich möchte loslassen. Loslassen von der Klinik am Waldschlösschen. Es gibt noch immer Dinge aus dem letzten Aufenthalt, die mich verfolgen, ja triggern. Ich habe auf 2 Emails keine Antwort erhalten. Ich weiß nicht ob mein ausgefüllter Fragebogen zum Ende der Traumatherapie angekommen ist. Daneben ist mir das Verhalten der Klinik, im Konflikt zwischen mir und der Pflege, noch immer unverständlich. Es war, wie so oft in meinem Leben. Ich hatte den Fehler gemacht, ich machte alles falsch und mir wurde unterstellt, nicht die Wahrheit zu sagen. Eine Entschuldigung der Schwerster war nicht notwendig. Nein, ich hatte mich für meinen Ausbruch zu entschuldigen. Ich war Schuld. Wie immer. Auch wenn es nicht der Wahrheit entsprach. Beide Schwester haben gelogen, aalglatt und ohne Hemmungen.

 

Ich fühle, ich bin nicht mehr passend für die Klinik, ich passe nicht in das Raster. Ich werde nicht mehr arbeitsfähig, bin nicht beeinträchtigt genug, habe gutes Wissen, ich kann Verantwortung für mich übernehmen und lerne mir selbst zu vertrauen. Die Klinik ist zu voll. Voll mit Menschen, wie Soldaten, Polizei und ... Wichtigeren Menschen, als ich es bin. Ich bin EU-Rentnerin und kann lernen, ohne Therapie zu leben. 

 

Diese 6 Tage Ausnahmesituation haben klar gezeigt, dass ich Hilfe brauche. Hilfe brauche, heraus zu finden, woher diese heftigen Trigger kommen. Diese Handlungsunfähigkeit und Hilflosigkeit, weil mein Mann im Krankenhaus operiert wurde. Diese wahnsinnige Angst. Ich will mich diesem Themen klar stellen. Auch das Thema "inneres Kind" ist ganz sicher behandlungsbedürftig. Themen, die für die Klinik nicht akut genug sind, denke ich. Ich kann es verstehen. Es gibt so viele Menschen, die anderen traumatischen Folgen leiden, die schwieriger, komplexer und wichtiger sind.

 

Nein, ich möchte nie wieder akut werden. Akut und dann diese Klinik, wäre einer Wiederholung meines 1. Aufenthaltes, sehr ähnlich. Oh nein, das will ich nicht noch einmal. Daher ist für mich ein weiterer Intervall-Aufenthalt leider ausgeschlossen, weil dieser ja nur auf AKUT erfolgen darf. Ich bedauere sehr, dass die Entscheidung so gefallen ist.

 

Ich übernehme Verantwortung für mich. Ich werde mir neue therapeutische Hilfe suchen.

   

Ich bin dankbar für die 2 Intervall-Aufenthalte und die 60 Stunden ambulante Traumatherapie. Sie haben mich voran gebracht und bestärkt. Sie haben mir wahnsinnige, für unmöglich gehaltene, Erfahrungen geben. Ich konnte Frieden schließen mit der Todesnacht meines Kindes und kann dadurch wieder frohe Erinnerungsbilder sehen. Ich habe wunderbare Therapeuten und Therapieformen kennen lernen dürfen sowie wunderbare Patienten. Es bleibt eine unvergessliche Zeit. 

 

DANKE

Herzliche Grüße Heike Pfennig