Buch-Projekt 2019/2020 - Selbsthilfeverein Dieser Weg - Zurück ins Leben n.e.V. - Meine Geschichte

Buch-Projekt 2019/2020

Persönliche Geschichten von Betroffenen ...  

Ich bin Heike, geboren 1961 und bin EU-Rentnerin.

Ich bin glücklich verheirate und wir leben in einer Patchwork-Familie mit 5 Kindern und 6 Enkelkindern.

2011 wurden die Diagnosen: mittel-gradige Depression, Angststörungen und soziale Kontaktstörung, gestellt. Erst 2006 kamen die Diagnosen Posttraumatische Belastungsstörung und dissoziative Störung dazu.

Mein Leben bis zur Diagnose Depression

Ich empfinde meine Kindheit nicht als schlecht. Ich war anders und konnte es nie gut genug machen. Diese Gedanken sind tief in mir geprägt worden und verfolgen mich bis heute. Frühzeitig wünschte ich mich in eine anderer Familie, da wo ich Liebe erfahren konnte. Ich litt unter der Kälte in meiner Familie, und der Härte meines Vaters, seinem Sarkasmus.

 

Mit 19 heiratete ich zum ersten mal, zog weit weg von der Familie und bekam mein erstes Kind. Jetzt zeigt mein Mann, sein wahres Gesicht und ich erlebte die Hölle von psychischer und körperlicher Gewalt. Meine Tochter Daniele, war schwer herzkrank und starb, in meinen Armen, 1983. Mein Mann machte mich für ihren Tod verantwortlich, ich war die Mörderin seines Kindes. Wenige Wochen nach der Beerdigung, hochschwanger mit meinem Sohn André, versuchte ich mir das Leben zu nehmen. Eine bitterkalte Nacht. Ich lief auf den Bahngleisen und wartete auf den Zug, der nicht kam. Mein Sohn rettete mir das Leben. 1984 fand ich den Weg aus der Hölle heraus. Ich hatte überlebt.

 

Ich bekam meine Tochter Jenny, heiratet 1990 ein zweites mal und mein Leben nahm seinen Lauf. Nun sorgte ich für mich, so gut ich konnte. Ich war für alles allein verantwortlich: Kinder, Familie, Schule, Behörden und Job. 1995 wurde ich arbeitslos, fand aber einen neuen Job, in einem sozialen Verein.

Mit dem Führungswechsel 2000, bestimmte Bossing mein überleben im Job. Es gab keinen anderen Job und Existenzangst hielt mich fest. Gnadenlos. 2004 verschwand mein Mann, ohne ein Wort, ohne Ankündigung. Als ich von der Arbeit kam, war er weg. Es war nicht meine erste Ghosting-Erfahrung.

 

2005 lernte ich meinen, heute, besten Ehemann der Welt, kennen und lieben. Seit 2010 sind wir verheiratet. Seine Ecken passen gut zu meinen Kannten. Er war damals psychisch krank – Burnout. Als er gesund aus der Reha kam, brach ich zusammen. Mai 2011, aus der starken Frau wurde eine Frau im Nichts, wie ich es nannte. Nichts, gar nichts ging mehr. Meine Wege im Leben mit der Depression begannen. 

Wie mein Umfeld auf die Diagnose reagierte

Für viele Menschen, war ich einfach nur weg. Einige wenige waren völlig geschockt, dass es ausgerechnet ich war, die da umfiel. Meinen vielen Ehrenamtlichen, die ich damals betreute, war es wohl klar - „dass musste ja mal kommen“. Sie waren es auch, die zu mir standen und mich im Krankenhaus auf der Psychiatrie besuchten, mir ihre Hilfe anboten und vom Wocheneinkauf, erst zu mir ins Krankenhaus kamen, den Kofferraum öffneten und ich von Joghurt bis Obst wählen sollte, was ich brauchte. Eine von ihnen, kam einfach so bei mir zu Hause vorbei. Klingelte so lange bis ich aufmachte, setzte sich neben mich und war einfach nur da. Diesen Menschen bin ich bis heute dankbar. Alle anderen habe ich vollständig aus meinem Leben gelöscht. Mit meinem Umzug nach Dresden war es einfach, alle – jeden Kontakt abzubrechen. Nur so konnte ich überleben. 

Depression? Nein, ich doch nicht!

Depression? Ich? Ich selbst, war tief getroffen. Ich haderte mit mir selbst, gab mir die Schuld und konnte es nicht fassen. Wirklich in der Lage war ich damals nicht, zu erfassen warum es so war wie es war. Ich verurteilte mich dafür, dass ich nicht Leistungsfähig sein konnte, nicht perfekt sein konnte, vergesslich war, … Ich lehnte diese Person vollständig ab. Nein, das war ich nicht. Das konnte nicht sein!

So wollte ich nicht sein.

So wollte ich nicht leben.

Ich wollte arbeiten. 

Ich nahm Hilfe an, ein Glück

Ich wollte in die Tagesklinik, doch diese wies mich zur ambulanten Betreuung ab und in die stationäre Betreuung ein. 8 Wochen Klinik, sofort im Anschluss 8 Wochen Tagesklinik und drei Wochen Später 8 Wochen Reha-Klinik, auf mein fortwährendes Drängen hin. Ich wollte gesund werden und vor allem wollte ich arbeiten gehen. Ich war erst 50, da konnte man doch nicht zu Hause sitzen und nichts tun. Doch ich sollte lernen, dass mein Lebensweg seine eigenen Pläne hatte.

Nach der Reha begannen die ersten Stunden meiner insgesamt 80 Stunden Verhaltenstherapie und die Wiedereingliederung. Ich hatte, durch den erneuten Führungswechsel in dem Verein, sehr gute Arbeitsbedingungen, die leider durch Mobbing torpediert worden. Meine Mitarbeiterin kämpfte mit Ellenbogentechnik, um meinen festen Arbeitsplatz. Noch immer gab es keine anderen Jobs hier, wo ich lebte, am Ende der Welt im Osten, wie ich immer sagte.

Die Wiedereingliederung wurde beendet und mir wurde deutlich vermittelt: Es wird noch lang dauern ehe sie wieder arbeiten können. Vielleicht können sie auch nie mehr arbeiten. Gewöhnen sie sich an den Gedanken. Beantragen sie EU-Rente.

 

Ich 52 Jahre, sollte EU-Rente beantragen? Für mich stürzte eine Welt zusammen. Furchtbar, wie kann man nur mit 52 Rentnerin werden. Ich weinte und war völlig zerstört. Das konnte ich mir nicht verzeihen. All mein Kampf, all die Klinikaufenthalte und die Therapie hatten versagt, weil ich nicht gut genug war. Ich musste Rente beantragen. Das war schrecklich, doch ich hatte keine Wahl. Ich wollte leben. Erst 2 Jahre später, konnte ich das Wort Rentnerin aussprechen und annehmen.

 

Heute weiß ich, es war die beste Entscheidung, die ich für mich selbst treffen konnte. Bis heute bin ich nicht arbeitsfähig. Diese Entscheidung eröffnete eine neue Chance. Wir entschlossen uns nach Dresden umzuziehen. Weit weg von meinem alten Leben, in die Stadt unserer Liebe.  

Neue Möglichkeiten und Wege in Dresden

Mit dem Umzug nach Dresden 2013 war einiges anders. Hier kannte mich niemand. Ich musste mich nicht verstecken. Ich brauchte keine Existenzangst mehr zu haben, denn ich hatte Rente und mein Mann nun endlich einen tollen Job. Eine neue Psychiaterin und eine neue Therapeutin zu finden, war schwierig, aber ich hatte hier auch mehr Möglichkeiten. Ich fand einen Psychiater im MVZ-Weißer Hirsch und dieser empfahl mir ein Ausbildungsinstitut für Psychotherapie. Solche Institute bieten auch Therapien an, wenn man sich auf die Gegebenheiten einlassen kann (Junge Menschen und Videoaufzeichnung der Therapiestunde). Für mich war es gut. Die Videokamera beachtete ich nie, sie stand irgendwo im Raum und die Aufzeichnung der Therapie-Stunde war mein Garant dafür, dass ich gut betreut wurde, sogar doppelt (Therapeutin und Tutorin). Da ich umgezogen war, wurden mir noch einmal 60 Stunden Verhaltenstherapie, von der Krankenkasse, genehmigt. Klasse.

 

Ein wechselt des Psychiaters 2016 ergab dann ganz neue Perspektiven. Es wurde PTBS diagnostiziert, auf Grund meiner Symptome. Jetzt wurden einige meiner Symptome auch für mich klarer, endlich bekam ich Antworten, warum ich so war, wie ich war.

 

Sofort war mir klar, nun musste ich Wege der Traumatherapie suchen. Ich hatte Glück, zum Jahresende konnte ich meinen ersten 12 Wochen-Aufenthalt in einer Traumaklinik absolvieren. Noch einmal hatte ich Glück. Meine dortige Therapeutin übernahm mich in die ambulante Betreuung. Auch sie war noch in der Ausbildung, aber da ich das Prozedere ja kannte, war es kein Hindernis für mich. Nach 55 Stunden ambulanter Trauma-Therapie war ich stabil genug für einen weiteren Trauma-Klinik-Aufenthalt von 12 Wochen. Anfang März 2019 war dieser, mit dem Ergebnis beendet, dass ich nun ohne Therapie leben sollte. Nein, ich verstand und verstehe diese Entscheidung nicht, doch ich lebe ohne Therapie. Ich lebe so gut ich kann!

 

Die Depression ist ein Teil in meinem Leben. Ich bin aber nicht die Depression und sie ist nicht! meine Depression. Ich gehe meine Wege, im MEINEM Leben mit der Depression. Jeder kleine Schritt voran, lässt mich besser leben. In den, für mich immer noch immer furchtbaren Tagen, wo die Depression ihre Macht zeigt, bin ich antriebslos und lebe im Nichts (gleichgültig, gefühllos, farblos, motivationslos, still, zurückgezogen, unglaublich müde). Doch aufgeben ist keine Option. Ich weiß es kommen auch wieder andere Tage. 

Depression ist Fluch & Chance

Im laufe meiner Therapiestunden, vor allem durch die Trauma-Klinik-Aufenthalte und meiner beständigen Suche nach Antworten, ist mir sehr bewusst geworden, dass Depression und Trauma eine Verbindung von Fluch und Chance sind.

 

Ich habe überlebt. Jetzt bin ich auf dem Weg zu leben. Leben wie es mir gefällt. Leben so gut ich kann. Es gibt die Tage, im Nichts, wo meinem Leben jede Farbe und jedes Gefühl, fehlt. Es gibt die Tage wo ich Glücksmomente erleben kann und auch Tage an denen ich wunderbar aktiv bin und meine Gefühle mir mein Leben verdeutlichen. Ich hatte die Chance über die vielen Therapiestunden mich selbst wirklich kennen zu lernen und zu lernen, Entscheidungen bewusst für mich selbst zu treffen. Ich verstehe mich wesentlich besser, weiß warum ich so fühle oder so reagiere.

 

Ich lerne immer besser, mir selbst Gutes zu tun, nein zu sagen – wenn ich nein meine, zeitnah auszusprechen was ich denke und dabei meinen Gedanken zu vertrauen. Ich kann Menschen wieder in die Augen schauen, vertrauen haben! Mein Teilhabe am Leben hat sich Schritt für Schritt über die Jahre positiv verändert.

 

Ich selbst bin noch immer mein stärkster Feind. Früh geprägte Glaubenssätze und die traumatischen Erlebnisse/Retraumatisierungen, lassen mich immer wieder in alte Verhaltens- und Handlungsweisen zurückfallen. Es braucht alles seine Zeit, auch das musste ich lernen. Vor allem lernen, mit mir selbst Geduld zu haben. Ich bin gern perfekt und das bedeutet leider auch, dass ich ein perfekter Patient sein will, bis hin zur völligen Überforderung und der Gefahr einer Retraumatisierung. 

Ich wünsche mir, dass Angehörige akzeptieren und mir vertrauen

Wenn mich Angehörige fragen wie sie es verstehen können und was sie tun können, ist dies immer schwer zu beantworten. Ich für mich, bin der Meinung, das Angehörige nicht verstehen können. Ich verstehe es ja selbst kaum, zu was die Psyche fähig ist. Sie kann den Menschen völlig außer Gefecht setzen, einfach so. Punkt!

 

Ich brauche Ruhe, eine Umarmung, einen lieben Blick, Ohren die mir zugewandt zuhören, die Vertrauen in das haben, was ich gerade erzähle. Ich brauche all die emotionalen Dinge, die in einem liebevollen Miteinander selbstverständlich sein sollten.

Ich kann so viele Dinge nicht mehr, dass darf sein. Es bringt nichts, wenn ich es, auf Druck oder zur Freude von Angehörigen, doch bewältige. Es wird mich hart bestrafen und mir Tage im Nichts geben. Ich brauche meine Rückzugsmöglichkeiten und zwar dann, wenn ich sie brauche! Nicht dann wenn der Angehörige meint, ich könnte sie brauchen. Ich bin nicht wirklich in der Lage mich, über längere Zeit, mit einem Konflikt-Thema auseinander zusetzen. Ich brauche Anlaufzeit. Ich möchte überdenken was ich will und für mich selbst Entscheidungen treffen. Erst dann bin ich bereit zur Kommunikation. Andersherum kann es auch sein, ich kann es gar nicht. Ich habe zu hart gelernt, immer der Verlierer zu sein, nicht gut genug zu sein und immer das Falsche zu sagen oder tun.

 

Je mehr Druck ich bekomme, je intensiver die Forderung wird, je mehr treibt es mich in die Enge. In die Enge der Angst, wieder zu versagen. In eine Enge die ich nicht will. Darüber hinaus kann es auch sein, das mich Verhalten, Worte, Bilder … triggern. Dann reagiere ich heftig und auch unkontrolliert. Ich will kein Opfer mehr sein. 

Ich kann Kenntnis-Verweigerung und Stigmatisierung nicht ertragen

Ich bin ein Mensch mit psychischen Beeinträchtigungen und klarem Geist. Ich bin psychisch behindert, nicht geistig behindert! Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und ich habe in der Traumatherapie gelernt, das dies wundervoll ist. Ich kann meinen Gedanken und Gefühlen vertrauen, auch wenn mir das noch schwer fällt. Ich kann meine Gedanken und Gefühle aufschreiben, ja auch darüber reden. Wenn! Wenn ich dazu selbst bereit bin.

 

Ich kann nicht funktionieren! Ich will auch nicht mehr funktionieren. Ich will so leben und denken wie ich bin, auch wenn das andere Menschen nicht verstehen. Nicht verstehen können oder nicht verstehen wollen. Es gibt heute so viele Möglichkeiten sich über Krankheitsbilder zu informieren und auch nachzufragen, wenn man etwas nicht versteht. Ich kann Kenntnis-Verweigerung und Stigmatisierung nicht ertragen, es greift im emotional tief an. Ein Grund, dass ich begann offen darüber zu schreiben und auch Gesicht zu zeigen. Der andere Grund ist, mit dem Schreiben, kann ich mich selbst reflektieren, meine Gedanken sortieren und anderen Betroffenen zeigen, dass sie nicht allein sind. Das ist mein kleiner Beitrag, von ganzem Herzen. 

Was mir hilft & wie ich mich selbst regulieren kann

Das Schreiben ist inzwischen mein bester Skill. Es bringt mir, meine eigenen Sichtweisen, meine Reflektionen und meine Gefühle, ins Bewusstsein und stärkt meine Handlungsfähigkeit. Um Selbstverletzungen zu vermeiden, habe ich immer eine Nussschale (piekt) und einen Glücksstein in der Tasche. Bin ich in Kommunikationsnot, verbiege ich mir oft die Finger – Gelenk-oder Fingerbruch sind möglich. Wenn meine Finger mit der Nuss zutun haben, geht das nicht und auch meine Kommunikation wird leichter. Wut, die ich nicht wirklich erden kann, vermindere oder entsorge ich, in dem ich einen Softball an die Wand werfe. Meine Wut an die Wand klatsche, deutlich ausgesprochen. Mir hilft auch kaltes Wasser über die Handgelenke oder ein Eisbeutel im Genick, um mich zu regulieren. Natur, spazieren gehen und fotografieren, hilft mir bestehende Gedankenkarussells zu verdrängen oder zu vermindern.

Suizid – Ich rede darüber

Meine Suzidgedanken habe ich nicht wirklich im Griff. Sie überfallen mich meistens unvorbereitet z.B. an stark befahrenen Straßenkreuzungen, wenn ein LKW in Sicht ist oder auch hoch oben auf der Steilküste. „Ein Schritt noch, ein letzter Schmerz und dann ist es vorbei. Für immer!“ Ich kann diese Gedanken nicht verstehen, da mir von Beginn an klar war und der feste Wille da war: ICH WILL LEBEN! Wenn ich aber in einer Dissoziation quer über die Straße laufe, ist es Glück, dass nichts passiert. Zum Glück kommt es nur selten vor und ich denke meine Vorsorge trägt dazu bei. Wenn ich bemerke, dass ich angestrengt bin und habe Mühe den Weg zu bewältigen, stehe immer direkt hinter dem Ampel-Pfosten. So kann ich nicht direkt loslaufen. Bisher hat mich mein eigener Lebenswille gerettet. Er lässt mich instiktiv und unkontrolliert, einen Schritt nach hinten gehen, weg von der Straße und er widerspricht sofort. Das ich dabei schon mal jemandem auf die Füße trete und eine dumme Reaktion erhalte, nehme ich gelassen in Kauf. Ich will leben, so gut ich kann.

 

Seit 2019 schreibe ich auch offen zu dem Thema Suizid und zeige auch dort Gesicht. Ich denke, es ist falsch das Thema zu Tabuisieren bzw. Tot zu schweigen. Es gibt viele Menschen, die Suizidgedanken haben, so wie ich mit ihnen leben, ihren Suizid überlebt haben und heute das Leben lebenswert finden. Und ja, auch das Leben mit der Depression. Ich kann Mut machen und zeigen, dass Suizid keine Schande und schon gar nicht einen Schwäche ist.

 

Ich kann mit vollkommener Dankbarkeit und Sicherheit sagen, psychisch kranke Menschen und Menschen mit Suzidgedanken sind Menschen wie du und ich. Es kann jeden treffen. Es sind die stärksten und sehr oft emphatisch klare Menschen, die ich je getroffen habe. Sie sind es die mir Mut und Vertrauen gaben und geben! Sie sind die stärksten Menschen, weil sie trotz aller Stigmatisierung und aller Betroffenheiten leben oder überleben! Kein Mensch sollte uns verurteilen, denn ihr wisst nicht, was für Stärke und Mut es in der Verzweiflung braucht, das Leben aufzugeben bzw. an das Licht zu glauben, dass immer auf mir scheint – auch wenn ich es gerade nicht sehe.

Meine positiven & negativen Erfahrungen

Ich habe in meinem Leben mit der diagnostizierter Depression und PTBS viele gute Erfahrungen gemacht. Ich hatte keinerlei Schwierigkeiten mit der Barmer-Krankenkasse. Ich hatte nur kurze Wartezeiten bis hin zur ambulanten Therapie. Meine Psychiaterin konnte mir Therapeuten empfehlen. Ich war in zwei Kliniken, wo ich mich sehr wohl und aufgehoben gefühlt habe. Die sehr gute Therapieangebote haben. Wichtig, für mich ist auch die Ergotherapie. Eine Stunde kreative Auszeit für mich, in einer Ergo-Therapie-Gruppe, auf Rezept.

 

Negative Erfahrungen in allen Klischees und Stigmatisierungen habe ich auch gesammelt. Angefangen bei meinen Eltern, Kollegen, sogenannten Freunden und leider auch bis hin zu Ärzten und Notarzt. Ein Notarzt, der sofort genervt reagiert, dass er kommen musste und nur eine Beruhigungstablette hinwirft, ohne irgende Untersuchung zu machen, zeigt am deutlichsten wie es ist, wenn ich offen sage, dass ich depressiv bin. Andere Ärzte schieben sofort alle Symptome in die Psychosomatische Schublade. Wieder andere maßen sich an, mir einen Spaziergang anzubieten.

 

Bei Untersuchungen, wie Vorsorgeuntersuchungen, wird ein langer Zettel ausgefüllt, auf dem nicht eine einzige Frage, zu psychischen Problemen oder Krankheiten zu finden ist. Es wird ignoriert, das Platzangst oder überhaupt Angst da ist, die unkontrolliertes Handeln oder Schreien provoziert. Auch dann, wenn man es bei der Terminabsprache benannt hat und Absprachen getroffen hat. Wenn ich dann dissoziiere wird es „lustig“. „Das hätten sie doch sagen müssen..., das wussten wir nicht...., wie können wir helfen..., brauchen sie was..., wirbeln dann alle, wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen, um mich herum.

Psychisch kranke Menschen, sind noch immer nicht wirklich in der Gesellschaft angekommen. 

Mein Leben in Ehe & Familie

Mein Leben in der Partnerschaft und in der Familie ist natürlich auch betroffen. Beeinflusst, ist vielleicht der bessere Begriff, für mich! Aus meinen negativen Erfahrungen heraus, die ich in der Vergangenheit sammeln musste, als mein Mann im Burnout war, habe ich von Beginn an, einige Dinge anders gemacht. Er sagt heute immer, es gut dass ich es anders gemacht habe, weil es nur so wirklich möglich ist, in der Partnerschaft damit zu leben.

 

Von Beginn an, entsprechend meiner Möglichkeiten, habe ich von meinen Therapiestunden und später auch von meinen Erkenntnissen und Erfahrungen erzählt. Langsam, Schritt für Schritt – so wie ich selbst voran oder rückwärts ging – habe ich erzählt was mich jagt, was ich erlebt habe, was in der Vergangenheit passiert ist und was in meinen Gedanken spukt. Ich habe offen darüber gesprochen, wie sich meine Suzidgedanken über mich werfen, welche Fehler ich gemacht habe. Vor allem auch meine neuen Erkenntnisse und Kenntnisse mit ihm geteilt. Selbst dann, wenn diese weh taten.

 

Hierbei ging es niemals um Schuld, denn die gibt es nicht. Es ging darum Geschehen und Handlungsweisen zu reflektieren und positive Veränderungen zu erreichen. So sind wir gemeinsam gewachsen, haben gemeinsam gelernt - gemeinsam Fehler gemacht und haben gemeinsam positive Erkenntnisse in Veränderungen eingebaut. Ich habe gelernt, nein zu sagen bzw. klare Entscheidungen zu treffen, die mir gut tun. Es gab viele Erlebnisse, Feste oder Ferientage mit den Enkelkindern und Familienbesuche, die wir unterschiedlich gestalteten. Ich habe immer die Option dabei zu sein, zeitlich begrenzt dabei zu sein oder zu Hause zu bleiben. Ich kann teilhaben oder mich zurückziehen. Mir ist sehr wichtig, dass mein Mann für sich sorgt. Hinterher freuten wir uns gemeinsam über das Erlebte.

 

Natürlich bleiben auch negative Erfahrungen in der Familie nicht aus. Das ist so. Aber ich lerne damit besser um zugehen und nehme nicht mehr alles wortlos hin. Ich lerne langsam, zeitnah auszusprechen, was mich verletzt hat und erreiche damit positive Veränderungen, Schritt für Schrittchen.

 

Trotz Depression und PTBS ist unsere Beziehung wesentlich intensiver und tiefe geworden. „Wir sind auf besondere Weise tief verbunden“; sind die Worte meines Mannes, die gut ausdrücken, was wir füreinander empfinden. Ich lerne, dass ein Leben ohne Perfektion lebenswert ist. Ich darf Fehler machen. Nein, ich habe nicht immer Schuld. Ich bin kein Opfer mehr. Das ist Vergangenheit.

Heute kann ich leben wie ich will. Leben so gut ich kann.