Immer wieder die gleiche Frage. Immer wieder die gleiche Erkenntnisse. Leben mit der Depression. Schau auf das was du geschafft hast.

Schau auf dich, wenn du dich fragst: WARUM?

Heute wähle ich ein Klarbild. Das bin ich! Ich sehe gut aus und bin glücklich, wenige Tage nach der Entlassung meines Mannes aus der Klinik und den damit zusammenhängenden wunderbaren Nachrichten. 2 Wochen später folgt die 3-wöchige Reha.

Warum ich das schreibe? Weil ich wieder an der Stelle bin, mit mir zu hadern, mich nieder zu machen. Mit mir selbst unzufrieden zu sein. Zu vergessen was ich überstanden habe. Warum? Weil es mir seit Wochen nicht gut geht und ich beständig merke, dass ich meine Grenzen überschreite, das mir alles schwer fällt und meine Gefühle wieder im Einerlei gefangen sind.

 

Ich bin wie ich bin.

 

In meinem telefonischem Therapiegespräch, erzählte ich auch davon, dass es mir seit mein Mann wieder zu Hause ist, nicht so gut geht, verbunden mit der Frage nach dem Warum. Ich hadere seit Wochen damit, habe eine absolute Schreibblockade und doch rasen die Gedanken in meinem Kopf herum. Momentan habe ich das stete Gefühl, mit einem Gummiband irgendwo festgenagelt zu sein und jede Aktivität beansprucht immense Kraft.

 

Die sofortige erste Antwort war: DAS DARF SEIN! Schau auf dich, was du in der vergangenen nahen Zeit alles geschafft hast.

Was mich gerade umtreibt

Ich war so happy in den drei Wochen, in denen mein Mann zur Reha war. Ich war glücklich, weil ich wusste er würde sich jetzt ganz viel Gutes tun und sicher gut wieder hergestellt nach Hause kommen. Ich rauchte nicht mehr, weil ich mir vorgenommen habe, ihm seinen Lieblingswunsch zu erfüllen, ich schrieb hier und da, bastelte und bereitet alles für sein Wiederkommen vor. Ich freute mich darauf mit ihm aktiv zu sein, dass "neue" Leben zu genießen. Ich hatte unseren Kindern geschrieben und sie alle hatten meine Worte verstanden. In der Rehazeit, gingen kurze Whatsapp hin und her. Ja, ich war aufgehoben in meiner Familie und freute mich, dass meine Worte angenommen worden waren. Es war alles gut und ich war bzw. bin sehr dankbar dafür.

 

Doch alle meine Freude, meine Aktivität und meine Alltag änderten sich abrupt, als mein Mann wieder zu Hause war. Als hätte man mir den Stecker gezogen, war alles was ich tat eine riesige Kraftanstrengung, brauchte heftige Überwindung und mir fehlt jeder Schwung. Es gibt wieder Tage die ich völlig verschlafe und nicht vom Sofa runterkomme. Meine Gedanken drehen sich in Kreisen, doch immer dann, wenn ich sie aufschreiben möchte, sind sie verschwunden. Um sofort wieder zu erscheinen, wenn ich andere Dinge erledige oder Ruhephasen habe. Dann gibt es Tage, wo ich funktioniere. Immer dann, wenn ein Termin ansteht oder wir Besuch erhalten bzw. zu Besuch fahren. Danach bin ich dann völlig platt. Nicht einmal das Geschenke bzw. Wichtelpäckchen einpacken ist mir in diesem Jahre eine Freude. Es ist einfach nur anstrengend und ich sehne mich nach meinem Schneckenhaus. Ich habe Angst, dass es wieder soweit kommt, dass ich mich dahin zurück ziehe, ganz weit weg von allem. Zu meinem Ärger habe ich auch wieder zur Zigarette gegriffen, um mich runter zubringen. Das wiederum kann ich mir selbst kaum verzeihen.

Ein schwacher Akku erbringt Höchstleistung

Ich habe mit schwachem Akku in den letzten Monaten unglaubliches gemeistert. Ich habe ohne Psychiater oder Therapeut die Zeit der Prostatadiagnostik, die Hölle der Operationswoche und die Alltagsaufgaben wie Besuche von den Kindern gemeistert. Manch einen gesunden Menschen wäre all das auch zu viel gewesen. Kein Wunder also, dass mein Akku kurz vor dem Kurzschluss ist. Er konnte sich zwischendurch nicht mal aufladen und doch wurde er beständig beansprucht, musste Leistung erbringen. 

 

Es ist völlig klar, dass jetzt der gesamte Körper streikt und nicht mehr viel geht. Trotzdem fordere ich ihn immer noch. Ich verbrauche Kraft um mit mir selbst zu hadern, mit meiner Unzufriedenheit. Ich funktioniere, verbrauche die gerade minimale Akkuladung, in dem ich Besuch annehme oder zu Besuch fahre. Auch wenn es "nur" die Kinder sind, es ist Kraft- und Energie-raubend. Ich funktioniere. Ich fahre mit in die Stadt einkaufen, ich sitze da und spiele bzw. erzähle mit ihnen, ich koche, ich agiere damit alles bestens läuft. Nur auf mich selbst achte ich wieder einmal nicht. Ich laufe gerade in die Gefahr der Akku-Explosion.

Schau auf dich! Das darf sein!

"Schau doch mal was du in der letzten Zeit alles geschafft hast. Du hast gar keinen Grund zu hadern. Es ist völlig klar, dass du jetzt müde und völlig geschafft bist. Du darfst jetzt loslassen. Du darfst jetzt müde und kraftlos sein. Es ist alles vorbei. Es ist alles gut! Tue dir Gutes, ruhe dich aus. Sei gut zu dir selbst. Du hast keinen Grund, dich klein zu machen, zu zweifeln oder dich zu bestrafen, dafür dass du jetzt schlapp und müde bist". Nimm dich auch nicht so hart ran, weil du wieder rauchst. Du hast viele Jahre so deine Nerven beruhigt. Sei geduldig mit dir, aber hör nicht auf daran zu glauben, dass du die Raucherentwöhnung schaffen wirst.

 

"DAS DARF SEIN!"

 

Mir laufen die Tränen über das Gesicht. Ich war in den drei Wochen Reha so gut drauf und jetzt, jetzt wo mein Mann zu Hause ist, geht fast nichts, alles ist anstrengend und braucht unheimlich Kraft. Es ist schon schwer morgens aufzustehen, oder nicht nur auf dem Sofa sitzen. Ich fühle mich nur noch schlapp und müde, sehen mich nach dem Schneckenhaus, antworte ich. 

 

Jetzt ist die Zeit, wo sich mein Körper und meine Seele erholen kann, wenn ich es selbst zulasse. Ich habe Höchstleistungen vollbracht und bin durch die Hölle gegangen. Jetzt darf ich loslassen und einfach müde, schlapp und antriebslos sein. Ich darf mir selbst Gutes tun. Mir die notwendige Zeit geben, um meinen Akku wenigstens wieder halbvoll zu füllen. Ich darf aktiv sein, wenn es mir gut tut. Ich darf sein wie ich bin. Das ist gut genug.

 

Sofort wird mir sehr bewusst, dass ich es selbst bin, die mich gerade über alle Maßen fordert, die  funktionieren will. Ich fordere von mir selbst unmenschliches. Ich agiere wieder in den alten Glaubenssätzen. Diese sind völlig unnötig, sie entsprechen nicht der Wahrheit und gehören in die Vergangenheit. Nein, es ist nicht meine Familie oder mein Mann, die mich fordern. Ich bin es selbst.

 

Mir wird bewusst, dass ich all diese schwere Zeit, ohne Therapie überstanden habe. Das regelmäßige Therapiestunden mir ganz sicher geholfen hätten, entgegen der Meinung meiner ehemaligen Traumatherapeutin, die mich mit dem Wissen um die Krebsdiagnose, abgewiesen hat. 

 

Ich glaube ich bin doch eine starke Frau. Ich habe wieder überlebt. Ich habe alle Herausforderungen gemeistert. Jetzt darf ich loslassen und mich ausruhen. 

 

DAS DARF SEIN! ICH WERDE ES VERSUCHEN!

 

Danke Carola Briesemeister für das telefonische Therapiegespräch.

Danke, ihr Lieben in meiner Familie. Schön, dass es euch gibt.