Sichtweisen! Ein Tag ist wie er ist. Aufgeben ist keine Option für mich

Sichtweisen! Depression oder Trauma?

Wird mein Leben besser werden?

Mein Leben mit der Depression wird nur besser, wenn ich kämpfe, wenn ich aufarbeite und loslasse. Wenn ich aufhöre, bin ich verloren. Verloren an diese Krankheit. Verloren in einem Leben, das nicht schön ist. Dann ist mein Leben verloren. Genau das, will ich aber nicht. Meine Erinnerungen wissen noch, dass das Leben auch schön und leicht sein kann. Ich will leben, besser leben.

 

Und doch sind da immer wieder die Gedanken aufzugeben, Gedanken nicht mehr die Kraft zu haben, Gedanken wieder versagt zu haben, Gedanken es nicht gut genug zu tun, Gedanken vom Leben müde zu sein. Immer und immer wieder übe ich mich genau dann, meine Gedanken auf das was ich schon erreicht habe auszurichten. Immer und immer wieder.

 

Immer und immer wieder nehme ich neue Gedankenwege und Kenntnisse auf. Aber wissen und tun, ist oft sehr weit auseinander. Die Umsetzung ist, so wie mein Weg aus der Krankheit, ein langer Lernprozess. Es ist nicht einfach 55 Jahre gelernte Denk- und Verhaltensweisen zu erkennen und zu verändern. Es ist so viel was da auf mich einstürmt.

 

 

Trauma löst Depression aus

Meine Trauma – die posttraumatische Belastungsstörung sind die Ursache für meine Depression. Eine Erkenntnis, die noch nicht viele Tage alt ist. Was mache ich nun damit? Erst einmal hat mich diese Tatsache etwas aus den Angeln gehoben. Viele Fragen haben sich aufgetürmt in mir. Ich habe im laufe der 6 vergangenen Jahre, 6 verschiedene Ärzte/Psychiater in Kliniken und ambulant beansprucht. Dazu noch 4 verschiedene Therapeuten in 120 Stunden Verhaltenstherapie. Von Trauma und posttraumatischer Belastungsstörung war keine Rede. Obwohl ich schon immer mit den Beinen wackle und in Gesprächen meine Finger verbiege bis es schmerzt. Obwohl ich von meinen Aussetzern, Panik-, Schrei-, und Schweißattacken berichtet habe. Erst meine jetzige Ärztin, stellte die Diagnose, die wiederum von meiner letzten Therapeutin nicht bestätigt wurde. In der Traumaklinik wurde dann so einiges klarer und bestätigt. Aber erst in der Therapiestunde, dieser Woche, erhielt ich die Kenntnisse von der Ursache für die Depression. Bis dahin war ich immer der Meinung, die Depression hätte die Traumata hervor geholt. Ich lerne eben nie aus. 

Es macht mir meinen Weg noch schwerer. Die Traumata haben meine Gefühle weggeschlossen. Ich brauche aber meine Gefühle um wieder zu leben. Ein Leben ohne Gefühle ist kein Leben, es ist einfach nur Leere, die mich durch den Tag bringt.

 

Wie viele Traumata sind in mir,  2 oder 3 oder sogar 4, keine Ahnung.

 

 

 

Klar war für mich immer, dass ich meine erste Ehe und den Tod meines Kindes nie richtig überwunden habe. Da ist einiges was mich triggert, was genau aus diesen Zeiten stammt. Oder werfen diese beiden Traumata nur ihre Schatten auf die anderen Dinge, die da unverarbeitet in mir wühlen. Viele Dinge, die ich jetzt in mir erlebe – denke, sind in ihrem Ursprung auf mein Leben in der ersten Ehe zurückzuführen.

 

Doch ich glaube ihre Geburtsstunde hatten sie in meiner Kindheit und frühen Jugend. Aber ist meine Kindheit auch ein Trauma oder nicht? Ich kann es nicht sagen. Viele Dinge, wie die Angst zu versagen, diese eigene Wertlosigkeit, die Suche nach Liebe und Anerkennung, dieses - ich muss perfekt sein-Denken, dieses - wo ein Wille ist – ist auch ein Weg, dieses - sich nicht wehren können – nicht nein sagen können, diese Angst schon wieder einen Fehler zu machen, nie gut genug zu sein, dieses – ich bin zu doof dazu, stammen für mich eindeutig aus der Kindheit.

 

Danach habe ich mein Leben lang zugelassen, dass sich diese Dinge wiederholen, bis zum erbrechen. Ich habe es nie gelernt wirklich an mich selbst zu glauben und für mich einzustehen. Auch wenn es den Anschein hatte, ich würde das Leben wuppen, waren doch immer meine Ängste bei mir, vor dem Versagen, nicht gut genug zu sein und oft auch diese Hilflosigkeit mit der Frage warum ich?

 

Dazu kamen noch die vielen ungefragten und unbeantworteten Fragen. Es wurde nie über meine erste Ehe gesprochen, darüber wie es mir ging. Es wurde über den Tod meines Kindes nie gesprochen, darüber wie ich es verkrafte, das Leben ging ja weiter. Ich habe nie mit meinen Eltern darüber gesprochen wie ich mich fühle, denn ich hatte Angst. Angst vor ihren Antworten – wie: so eine Gefühlsduselei ist nichts für mich, du bist doch selbst Schuld, du kannst nicht richtig machen... Das ich nicht schuld am Fenstersturz (Selbstmordversuch) meiner ersten Liebe war, blieb ungeklärt bis ich 54 Jahre alt war. Es wurde einfach nicht darüber gesprochen und nur eine beiläufige Erwähnung meiner Mutter, brachte meine Unschuld heraus. Sie selbst hat damals ihr Gewissen erleichtert, aber niemals daran gedacht mir zu sagen, dass es ein Unfall war. Das ich bei Beerdigungen austickte, nahm man hin, keine Nachfrage, keine Umarmung. Ich war eben so. Die Beendigung meiner Ehe, der Mann war einfach weg, wurde nur belächelt. Naja, sowas konnte ja nur mir passieren. Auch mein Exmann äußerte sich nie. Wie immer blieb ich zurück, ohne Antworten auf meine Fragen.

 

Warum stelle ich mir immer so viele Fragen, möchte Antworten? Warum kann ich Dinge nicht einfach hinnehmen und loslassen? Warum habe ich mich, in meinem Leben, immer selbst schuldig gefühlt? Warum musste ich alles und alles fühlen und konnte nicht, wie andere, einfach darüber stehen?

 

Ja! Und dann kam der Zeitpunkt, an dem ich mich danach sehnte meine Gefühle los zu werden. Ich wollte nicht mehr all diese kleinen und großen Verletzungen.

 

Ich habe mich viele viele Jahre unter meiner Lebensmaske versteckt. Ich habe so oft gekämpft, für mich oder doch nicht für mich? Die Depression hat mir die Maske vom Gesicht gerissen. Das war auch gut so! Sie hat alle Verletzungen an die Oberfläche geholt und meine Gefühle ausgeknipst. Oder waren es die schlummernden Traumata.

 

Ich wollte einfach nicht mehr kämpfen, ich war so müde von den Kämpfen in meinem Leben.

 

 

Nachtrag vom 21.04.2018:

Heute, nach einem Jahr ambulanter Traumatherapie, habe ich die Antwort. Es sind die traumatischen Erlebnisse, die mich leiteten und noch immer leiten. Ihr Ursprung liegt in der Kindheit. Es ist das innere Kind, dass mich durch mein Leben geleitet hat. Es hat all die Verletzungen und Demütigungen der Kindheit nicht vergessen. Es hat große Angst und ist beständig auf der Suche nach Liebe und Anerkennung.  Dafür tut es alles. Heute bin ich auf dem Weg, dem inneren Kind zu begegnen, es anzunehmen und ihm zu erklären, dass es keine Angst mehr haben muss. Es ist ein langer und schmerzhafter Weg, aber ich gehe ihn. Für mich, die große Heike und für das innere Kind, die kleine Heike. Eines Tages werden wir gemeinsam glücklich sein.