IRRT (Imagery Rescripting & Reprocessing Therapy)
Die IRRT ist eine Therapiemethode zur Behandlung von PTBS und anderen Traumafolgestörungen.
Visuelle und verbale Interventionen werden kombiniert, um Zugang zu belastenden Trauma-bezogenen Bildern zu gewinnen, diese zu konfrontieren, zu transformieren und emotional zu bewältigen.
- In der ersten Phase werden die belastenden Bilder und assoziierten Emotionen des Traumas vom Patienten in sensu wiedererlebt und verbalisiert.
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In der zweiten Phase liegt der Schwerpunkt auf der Konfrontation und Entmachtung des Täters durch das aktuelle Ich des Patienten, das als zusätzlicher Persönlichkeitsanteil auf dessen innerer Bühne eingeführt wird.
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In der dritten Phase geht es um die Entwicklung von Bildern der Beruhigung, Tröstung und Versöhnung zwischen aktuellem Ich und dem damaligem Ich.
Im Rahmen von Nachbesprechung und Hausaufgaben wird parallel an der Vertiefung und Verankerung des Erreichten und an der kognitiven Umstrukturierung gearbeitet.
Meine Erfahrungen mit dem IRRT
IRRT ist hart. Ich habe es gewagt, weil die Bilder aus meinem Trauma sehr präsent waren. Sobald ich Freiraum und Ruhe hatten oder in der Nacht jagten sie mich. Immer wieder sah ich den Film. Ich hatte die Begebenheit in der Einzeltherapie erzählt. Sicher nicht in der ganzen Breite, doch schon sehr ausführlich. Es hatte meine Tränen ausgelöst und damit sehr viel positive Veränderung gebracht. Die Tränen hatten meine Blockaden und inneren Anspannungen gelöst. Ich war innerlich ruhig. Es herrschte eine Stille in mir, die mir lange Zeit unheimlich war. Ich hatte mich, über mein Ritual, selbst regulieren können. Das war ganz sicher die Voraussetzung, das ich das IRRT machen konnte.
In einer Doppel-Therapiestunde erzählte ich, wie in einer Imagination, von der Nacht bis zum Morgen und dann mit einem Zeitsprung zur Geburt meines Sohnes. Ich konnte diese Nacht sehen, hören, riechen, fühlen - mit allen Details, in voller Länge und in Farbe. Die Geschichte dieser Nacht erzählte ich so wie sie war, gehalten und gelenkt von meiner Therapeutin. Und noch ein Stück weiter. Ein Stück, was ich sehr gern nicht erzählt hätte, nicht angesehen hätte. Aber es gehörte dazu. Das hieß ich sah nun auch in SEIN Gesicht, voller Hass, Wut und ungebremstem Zorn. Furchtbar. Erst im Anschluss daran, kam der Zeitsprung.
Ja, ich kannte diese Bilder. Sie begleiten mich nun schon 36 Jahre. Ich brauche keinen Kalender um den Geburtstag wie den Todestag meiner Tochter zu wissen. Mein Kopf erledigt dies von ganz allein. Aber anders als im Traum, war ich nun bewusst in diesen Film eingestiegen.
Dann wiederholte ich diese Geschichte, doch wurde sie jetzt verändert. Ich selbst ging nun zurück in diese Nacht. Imaginär hatte ich die Macht, in die Situation hinein zu gehen und diese zu verändern. Nein, den Tod meiner Tochter konnte ich nicht verhindern. Aber ich konnte meine eigene Notsituation verändern. Ich habe immer gesagt, wenn ich einen Menschen im Leben töten dürfte, wüsste ich wen ich erschießen würde, ganz langsam. Nun in der imaginären Situation, konnte ich es nicht. Ich war nicht dazu in der Lage. Nein, meine Finger schmutzig machen, für dieses Arschloch, das ging gar nicht. So packte ich nur die Sachen und holte mich aus der Wohnung heraus. Brachte mich an einen sicheren Ort, den er nicht finden würde. Jetzt und hier, wollte und konnte ich MIR SELBST helfen. Ich nahm mich selbst in den Arm, tröstete mich und hörte mir zu. Zum ersten Mal in meinem Leben, wollte und konnte ich, zu mir selbst gut sein.
In einem vorsichtigen leisen Gespräch danach, wurde ich so gelenkt, dass mir sehr klar wurde, dass ich alles getan hatte, was möglich war. Ich hätte den Tod nicht verhindern können. Er wäre so oder so, hier oder im Krankenhaus gekommen, denn ihr Herz hatte die Sauerstoffzufuhr verloren. Die Klappe war zugegangen und niemand hätte dies verhindern können. Damals noch nicht. Noch eins wurde mir wieder bewusst. Hätte ich mein Kind ins Krankenhaus gebracht, wäre sie dort gestorben, dann wäre ich nicht mehr am Leben. Dann hätte dieses Arschloch mit totgeschlagen. So habe ich überlebt.
Es war hart und super anstrengend. Danach hatte ich keine weiteren Therapie mehr. Ich hatte nur die Aufgabe, für mich zu sorgen, mir etwas Gutes zu tun. Ich verließ die Therapie seltsam ruhig, innerlich ruhig - wie tod. Und doch war es anders. Ich fühlte mich befreit. Befreit von einer Bürde und Schuld-Last, die in den 36 Jahren immer schwerer geworden war.
Achtung! Auch wenn ich hier wörtliche Rede verwende, ist dies nur um darzustellen was meine Therapeutin gesagt hat. Es ist nicht ihr Wortlaut. Es ist nur im Ansatz, das was in meiner Erinnerung geblieben ist. Sie hat ganz sicher andere Worte benutzt. Sie hat mich geleitet. Mich dazu gebracht, mich zu wehren. So zu wehren, dass keine Gefahr für mich mehr bestand. Ja, in einem IRRT darf man etwas tun, was im Alltag nicht ohne Konsequenzen bleiben würde. Es ist eine Imagination.
Ein zweites IRRT war notwendig - Nacharbeit
Nach einer Woche, in der ich irgendwie über die Runden kam, mal so und mal so, wiederholten wir das IRRT. Ich sollte noch einmal in die Veränderung einsteigen. In dieser Schleife hing ich fest und wurde die Bilder nicht los. Die Geschichte blieb, doch der Morgen wurde verändert. Das heißt die Entmachtung des Täter wurde wiederholt und geändert. Ich begann mit dem Moment, wo er nach Hause kam. Was ich nun verändern sollte oder wollte wußte ich nicht so genau. Die Therapeutin half und leitete mich. "Er wird sie jetzt ...! Nehmen sie die Kohleschaufel ...! Ich brauchte eine Weile, ehe ich in der Lage war, ihr zu folgen. Ich nahm die Kohleschaufel und schlug zu, damit er mich in Ruhe lassen würde. "Was macht er jetzt? Reicht es aus?" Noch einmal schlug ich zu. "Und jetzt?" "Nehmen sie die Schaufel ..." Ich konnte nicht. "Nehmen sie die Schaufel, er wird sie jetzt ... und nach dem Kind treten..." Ich weiß nicht wieviele Wiederholung die Aufforderung brauchte, ehe ich genervt, frustriert, mit Angst und Wut, schrie: Ja, dann nehme ich die Schaufel und schlage, und schlage ..." Ich war so wütend auf das Arschloch. Ich hatte dieser Wut Raum gegeben. "Und nun", fragte die Therapeutin wieder. Er bewegt sich nicht mehr. Ich packe nun Sachen ein und motiviere mich mit mir, die Wohnung und den Mann zu verlassen. Jetzt sofort, damit das werdende Kind eine Chance auf ein gutes Leben hat. Ich hatte in tot geschlagen, mit aller Wut die in mir kochte.
Mit dieser veränderten Situation, verloren sich die Bilder in meinen Träumen. Ich wurde ruhig und konnte mich endlich freuen. Ich hatte die bösen Geister vertrieben. Ich war unschuldig. Jetzt war ich frei. Ich konnte wieder weinen. Das IRRT löscht keine Filme und Erinnerungen. Aber es macht die Erinnerungen erträglich, lässt Trauer zu. Trauer, die ich nie hatte. Jetzt konnte ich trauern. Trauern um mein Kind, endlich.
Am folgenden Sonntag, war der 24.02.2019, der Todestag von Daniele. Ich verbrachte einen wunderbaren Nachmittag mit ihr in der Altstadt. Erst ging ich in die Kirche. Wie immer zündete ich ihr eine Kerze an. Dann saßen wir da und unterhielten uns, ganz in Ruhe. Irgendwas stimmte aber nicht. Mein Herz sprach zu mir: Da fehlt eine Kerze. Ja, es fehlte eine Kerze für meinen Sohn, der noch ungeboren, mir das Leben rettete. Dann bummelte ich durch die Altstadt und über die Augustusbrücke zur Neustadt. Dort zeigte ich ihr die wundervollen Krokuswiesen. Glücklich fuhr ich danach wieder zurück in die Klinik.
Im Gedenken an die schöne Zeit, die mein Kind bei mir sein durfte. Ja, jetzt kamen auch Bilder hoch, wo sie lachte und die Erinnerungen daran, wie wir gemeinsam Zeitungen ausgetragen haben. Die Omas warteten schon auf uns und hatten immer eine Kleinigkeit für dich. Sogar Bananen teilten sie mir dir. Am Ende der Tour ging es zum Bäcker. Ein leises Lächeln zieht durch mein Gemüt.