Wenn das Monster keine Ruhe gibt, es wieder Macht bekommt. 3. IRRT im Trauma. Monster ansehen und töten, auch wenn es hart ist.

Wenn das Monster wieder Macht bekommt

Mein Aufenthalt in der Klinik ist nun 6 Wochen her. Das Leben ist anders. Mein Leben außerhalb der Klinik ist anders. Keine Käseglocke ist vorhanden. Ganz normale Anforderungen im Alltag, Nachrichten und Aktivitäten bestimmen wieder mein Leben. Auch wenn ich noch stärker auf mich selbst achte, Grenzen beachte und einhalte, ist es doch eine anderes Leben. Ungebremst, ja auch ungewohnt dröhnt das Leben auf mich ein. Meine Symptome sind wieder da. Ich bin erhöht Schreckhaft und schreie auch wieder laut. Ich habe gute und andere Tage, träume sehr häßlich, habe Einschlafschwierigkeiten, Schweißattacken und vor allem die neuen komischen Attacken (Magen, Kreislauf) machen mich unruhig. Meine Beine werden wieder aktiver und die Anspannung nimmt zu. Meine Wut ist immer noch da und stört meinen Alltag, weil ich gegen alles und jeden wütend bin, obwohl ich weiß sie gehört an eine bestimmte Stelle.

In den letzten 3 Wochen bemerke ich intensiv, dass mein Monster immer stärker wird. Es greift wieder nach Macht und wird stärker. Es stört meine Erinnerungen und schickt mir unbändige Wut, die wiederum Kraft kostet, welche mir für wirkliches Leben fehlt. Es gibt nur einen Weg. Ein neues IRRT.

Noch einmal tauche ich in die Todesnacht ein. Ich habe Schwierigkeiten, den Beginn zu finden, aber meine Therapeutin hilft. 

Es ist hart wieder diese auffliegende Tür zu hören, seine Wut zu spüren und seine Vorwürfe hören. Noch einmal diese Vorwürfe selbst aussprechen, die mich über viele Jahre nun jagten. Wieder diese Ohnmacht spüren, diese Angst. Doch es gibt einen Unterschied, heute kann ich mich wehren. Auch heute greife ich nach der Kohleschaufel und schlage zu. Kein Mensch kann nachspüren, wie es mich ekelt, wie viel Kraft dazu gehört es zu tun. Noch kann ich aber nicht nachsehen, ob er noch lebt. Erst mal hole ich mich selbst aus der Situation und bringe mich aus dem Raum.

 

Jetzt muss ich die Situation verändern. Denn das Monster ist nicht tot. Dieses Monster steht bald wieder auf, trommelt sich auf die Brust und lacht mich aus: Du bekommst mich nicht tot. Ich verfolge dich ein Leben lang. Du bist zu feige mich zu töten. Du schaffst das nicht. Ja, ich kenne es. Aus meinen Träumen, die mich derzeit jagen.

Nein, das will ich nicht. Ich will nicht, dass er überlebt.

 

Ich schreie das Monster an. All meine Wut geht dahin, wohin sie gehört. Zu diesem Arschloch von Mensch. Du wirst mich nicht mehr verfolgen. Ich kann mich wehren. Du bist ein kleines feiges Arschloch, dass nur stark ist, wenn du deine wehrlose Frau prügelst. Du kleines feiges Würstchen. Du hast es nicht verdient zu leben. ...

 

Ich stehe im Wohnzimmer und spüre die schwere Waffe in meiner Tasche. Heute habe ich sie mitgebracht. Die Waffe meines Bruders. Sie soll nun den Menschen umbringen, der es verdient hat. Ich entlade und schieße das Magazin leer. Mich ekelt.

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Heute muss ich ihn anfassen. Prüfen ob er noch lebt. Ich drehe ihn auf den Rücken, suche seine Brust, irgendwas ist feucht. Sein Herz schlägt nicht mehr. Ich kann es nicht mehr spüren. Er ist tot. Er wird mich nie mehr jagen.

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Heute muss ich in seine Augen schauen. Prüfen ob er tot ist. Grausam. Ich will nicht in seine Augen schauen. Grausam. Mir gelingt der Blick. Die Augen sind halb offen und bewegen sich nicht mehr. Er ist tot. Er wird mich nie mehr jagen. Ich könnt kotzen.

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Heute schreie ich ihn an. Du wirst mich nie wieder schlagen. Nie wieder. Du wirst mich nicht mehr anbrüllen und mir Schuld zuweisen. Du wirst mich nicht mehr jagen. Du bist tot. Du wirst mir nicht die Bilder von der weinenden Daniele wieder bringen. Ich möchte die lachende Daniele sehen. 

Endbild wird verändert

Heute gehe ich zu mir. Ich nehme mich in den Arm, fest und sicher. Ich gebe mir Halt und Wärme.

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Heute nehme ich mich mit nach Dresden. 

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Gemeinsam bummeln wir in der Altstadt. Ein bisschen hier und dort, vielleicht auch kath. Hofkirche.

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Gemeinsam, eng beieinander sitzen wir auf einer Bank und schauen wie die Sonne über der Hofkirche unter geht.

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Wieder im Jetzt

"Was war anders? Was nehmen sie heute mit?" Fragen meiner Therapeutin, nach dem IRRT.

Aus meinem Mund kommt der Satz: ICH BIN STÄRKER ALS ICH SELBST GLAUBE! Ja, es ist mein Satz. Meine Therapeutin lacht über das ganze Gesicht. Ich muss lächeln und bin gerade sehr dankbar. "Wenn es das ist, was sie heute mitnehmen, sind wir einen großen Schritt gegangen!" - antwortet sie.

 

Anders? Heute habe ich Wärme gespürt, als ich mich in den Arm nahm. Heute habe ich mich mit nach Dresden genommen. Es hat gut getan gemeinsam auf "meiner" Bank mit mir zu sitzen. "Sie hatten Selbstmitgefühl", erklärt meine Therapeutin.

 

Ich musste ihn erschießen. Es ging nicht anders. Ich habe mir all die Jahre gewünscht, ihn zu erschießen. Heute habe ich es getan, auch wenn es überhaupt nicht meinem Wesen entspricht. Ich habe es getan. 

 

Es musste die Pistole meines Bruders sein. Die Pistole, die einen guten Menschen aus dem Leben genommen hat. Genau diese Pistole musste ein Arschloch erschießen, weil er es verdient hat. Dieses Arschloch hat in meinen Träumen und im Jetzt nichts zu suchen. Er ist tot. Er ist Vergangenheit. Er kann mir nicht mehr weh tun. Ich kann mich wehren.

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Ich bin kein schlechter Mensch

Ich bin kein schlechter Mensch, weil ich einem anderen Menschen den Tod wünsche. Ich bin kein schlechter Mensch, weil ich einen anderen Menschen erschieße möchte, es heute getan habe. Er hat es tausendmal verdient. Ich lasse mir nie wieder sagen, ich hätte Schuld, ich wäre eine Hure, ich wäre zu dumm ... Ich möchte nie wieder diese Schuldgefühle in mir wachsen lassen.

ICH BIN UNSCHULDIG! 

Hätte es nur einen minimalen Hinweis auf Schuld gegeben, ob am Tod meiner Tochter oder an falscher Vaterschaft, das Schwein hätte mich niemals davon kommen lassen. Er hätte alles in Bewegung gesetzt, mich zu zerstören. Das arme kleine Würstchen hat nichts getan, weil er wußte, dass ich unschuldig bin. Wenn Schuld weh tun würde, würde er den ganzen Tag, vor Schmerzen, laut schreien. Das wäre wunderbar.

 

Ich bin unschuldig. Ich habe mein Bestes gegeben. Ich habe alles getan, was ich konnte. Danieles Tod war nicht vermeidbar. Wir hatten viele gemeinsame Monate, mehr als die Ärzte jemals glaubten. Heute sehe ich Daniele wieder lächeln. Diese Bilder möchte ich behalten und in guter Erinnerung pflegen.

 

Heute, ein Tag danach

Ich bin sehr müde. Ich bin froh mich dem erneuten IRRT gestellt zu haben. Ich bin innerlich wieder ruhiger. Ich glaube, ich fühle so etwas wie Trauer. Trauer, mir selbst gegenüber. Trauer, dass ich so gelebt habe.

Ich brauchte diesen Skill (Blog), um wirklich Ruhe zu finden. Ich bin dankbar, dass ich meine Gedanken, in Worte fassen kann.Ich bin dankbar, dass ich heute in einem liebendem Umfeld leben kann. Ich bin dankbar, dass ich überlebt habe und nun die Zeit ist, mir selbst Gutes zu tun und zu leben wie es mir gefällt. Mit Einschränkungen, aber doch gut.


Dies ist ein Gedächtnisprotokoll. Es sind nicht 100%ig Ablauf, meine Worte oder die Worte der Therapeutin. Es ist nur das, was am deutlichsten in mir vorhanden ist und erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit.