Traumabewältigung mit IRRT - Meine Entscheidung - Mein Weg - Was verändert sich durch die Traumakonfrontation? Meine Sichtweisen - Meine Erfahrungen

Traumabewältigung mit IRRT

Mein traumatisches Ereignis liegt über 30 Jahre zurück. Es hat mich über die vielen Jahre begleitet. Mich begleiteten die Bilder der Todesnacht meines Kindes. Wie in einem Farbfilm war ich immer wieder in genau der Situation. Ich konnte es fühlen, riechen, sehen bis ins Detail. Die Träume kamen regelmäßig, aber auch bei Beerdigungen waren sie präsent. In diesen Träumen und Bildern, kam der Täter (Vater des Kindes), der diese Nacht und das Ereignis ansich noch schlimmer machte, nicht vor. Ihn hatte ich ausgeblendet und doch war er stets da.

Daneben jagten mich Träume, in denen ich in einem Wald herum irrte und den Weg nicht fand. Es sind unscharfe Bilder, sehr verzerrte und neblige Bilder von Bäumen und Wegen. Ich mitten drin. Manchmal passierte diese Suche auch in einer Stadt (zwischen Häusern und Straßen, die ich nicht zuordnen kann) oder auch nur in einem Haus mit vielen Zimmern, Treppen und Türen. Ich habe wahnsinnige Angst, fühle mich hilflos und ausgesetzt. Ich irre herum, hierhin, dorthin und anderswo. Völlig kaputt und kraftlos wache ich dann morgens auf. Es dauert eine Weile bis ich die Bilder verliere und registrieren kann, es ist alles OK.

Das erste IRRT

In der Klinik nun, kam dieses Trauma an die Oberfläche und ich entschied mich dafür, es zu bearbeiten und eine Konfrontation zu wagen. Im ersten IRRT leitete mich die Therapeutin so, dass auch den Täter in der Konfrontation vorkam. Er war nur am Rand dabei. Ich stand vor dem Täter, hatte die Gelegenheit ihn zu töten. Immer hatte ich laut getönt und mir gewünscht, ihn erschießen zu können. Jetzt könnte ich es tun und war nicht dazu in der Lage. Es ging nicht. Nein, ich wollte mir an dem Arschloch nicht die Hände schmutzig machen. Ich verließ die Situation und dachte es wäre gut so. Wichtig war für mich, dass endlich Tränen rannen und meinen riesiger Druck bzw. Klumpen Anspannung damit zerrann. Hinterher fühlte ich mich zum ersten Mal nach vielen Jahren frei von Anspannung und lernte nun Trauer zu leben. Nein, es änderte nicht diese Nacht, aber ich stand ihr anders gegenüber. Das erste Mal wurde mir sehr bewusst, dass ich unschuldig war. Ich hatte überlebt und war nicht Schuld. Es war als kehrte in meinen Körper Ruhe ein, unendliche ungewohnte Ruhe. 

Niemand, der es nicht selbst erleben darf, kann nachfühlen wie es sich anfühlt, wie frei ich mich fühlte und vor allem wie entlastend es wirkte. 

Das zweite IRRT

Doch irgendwas stimmt nicht. Ich erholte mich nicht von der Konfrontation. Mir ging es schlecht und meine Träume jagten mich, in den wenigen Stunden die ich dann Schlaf fand. Es blieb nur ein Weg. Ein zweites IRRT, um das Ende der Situation zu verändern. Gerade das Ende. Die Erlebnisse mit dem Täter. Mir war schlecht. Ich hatte riesige Angst. Angst davor, dass ich nun ein anderes Trauma hochholen würde, in dem der Täter die Hauptrolle spielte. Nein, dazu war ich noch nicht in der Lage. Und doch entschied ich mich für das zweite IRRT. Jetzt lenkte mich die Therapeutin intensiv, die Situation so zu verändern, dass ich meinen Ekel vor mir selbst, meinen innerlichen Widerstand aufgab und selbst schlug. Nein, noch immer konnte ich ihn nicht erschießen. Ich schlug ihn mit der Kohleschaufel tot (dachte ich). Ich schlug bis er bewegungslos dalag und ich mich selbst nehmen konnte und die Wohnung verlassen konnte. Es war ein harter Kampf diese Schaufel zu nehmen und den Täter zu schlagen. Wut und Ekel gaben sich die Hand. Aber es musste sein. Ich wollte den Täter nicht in meinem Erinnerungsfilm haben und vorallem sollte er mich loslassen.

Das dritte IRRT

Meine Wut blieb. Ich war wütend auf alles und jeden. Wusste nicht genau wohin sie gehörte. Meine Symptome verstärkten sich und meine Träume jagten mich. Jetzt waren auch Bilder vom Täter da, der lachend vor mir stand, sich auf die Brust schlug wie King Kong und schrie: Du bist so feige. Du hast mich nicht getötet. Ich bin noch da. Du wirst mich niemals los. Genau da gehörte meine Wut hin. Ich hatte Wut und die gehörte zu ihm. Sie musste raus. Meine armer Ball (Wutballübung) half mir nicht. Es änderte nichts. So ging ich ein drittes mal in das IRRT um die Endsituation zu verändern. Ich war mir sicher, nur so konnte ich endlich damit abschließen. Mich befreien. Die guten Bilder und Erinnerungen, die jetzt da waren, behalten und pflegen. 

In diesem IRRT nun, lies ich meine Wut raus, sagte ihm was ich zu sagen hatte, Schimpfwörter kreisten und immer noch war es ein Kampf, ein Kampf diese Pistole zu nehmen und dann auch zu schießen. Wut und Ekel gaben sich die Hand. Ich schoß und ekelte mich. Ich konnte nicht hinsehen, den Täter nicht ansehen. Doch nun wurde ich geleitet, ihn anzufassen, zu prüfen und nach seinen Augen zu sehen. Ein harter Kampf. Die Befreiung von mir endete in diesem IRRT auch anders. Ich nahm mich mit nach Dresden und wir saßen gemeinsam an der Elbe. Ich mit mir. Das war so schön und warm.

Meine Erfahrungen & Erkenntnisse

Was bleibt? Es bleibt der Lohn für die harte Auseinandersetzung. Ich kann wesentlich besser mit dem Tod meiner Tochter umgehen. Ich sehe nun wieder Bilder wo sie lacht und habe Erinnerungen an schön Erlebnisse mit ihr, die völlig weg waren. Ich habe wieder Tränen. Meine beständig wackelnden Beine sind wesentlich ruhiger und ich kann sie ruhig stellen, ohne Krampf, wenn sie doch anfangen zu wackeln (bei Anspannung oder schwierigen Situationen). Es hat mir unheimlich gut getan und ich fühle mich gut. Ja, ich habe die Kraft und die Stärke gehabt, der Hölle in die Augen zu sehen, mich zu wehren und kann selbst an meine Unschuld glauben. Ich habe die Schuld abgeworfen, die ich Jahrzehnte getragen habe und die überhaupt nicht zu mir gehört. Ich habe mich selbst in den Arm genommen, meine eigene Wärme gespürt. Ein wichtiger Schritt, auf meinem Weg.

 

Ich würde es wieder tun. Es ist ein guter Weg, mit einem traumatischen Erlebnis zu leben. Es ist Schmerz da und Trauer. Das ist was anderes als diese Traumaerlebnisse. Das kann ich zulassen und lernen damit gut umzugehen.

 

Heute Nacht war mein Traum anders. Noch immer bin ich im dunklen nebligen Wald. Aber ich sitze irgendwo, einfach so. Keine Angst und keine Hilflosigkeit hat mich gejagt. Ich hoffe sehr, es bleibt so.

Mir wurde sehr klar, dass ich im IRRT nur der Wahrheit gegenüberstand. Der Wahrheit, die es schon immer gab. 

Vergeben oder Töten

Ich glaube, dass man traumatische Erlebnisse, wie ich in dieser Nacht erlebt habe, nicht vergeben kann. Wer mir sagt, er kann das, der lügt. Ich nehme es ihm nicht ab. Ich kann z.B. meinen Eltern vergeben, denn sie kannte und konnten es nicht anders. Aber es gibt Dinge, die kann ich nicht vergeben und sie haben auch keine Vergebung verdient. Täter kommen so oft davon, im wirklichen Leben kommen sie davon.

 

In der Konfrontation kann ich ausführen, was in Wirklichkeit niemals möglich ist. Ich kann all meine Wut leben und dahin geben, wo sie hingehört. Ich kann Abstand gewinnen, ohne Hass. Ich kann mir selbst verzeihen. Verzeihen, dass ich es zugelassen habe, dass ich mich nicht gewehrt habe, dass ich all das (meine Angst, meine unterdrückte Wut, meine Hilflosigkeit...) an meinen,  damals, ungeborenen Sohn weitergegeben habe. Und all das, ist noch ein langer Weg, für mich.

Es bleibt das wunderbare Gefühl der Wärme für mich selbst.