Angst & Schweigen - eine Diagnose jagt mich
Nach der Traumaklinik wollte ich für mich sorgen. Also wurden Arzttermine gemacht, zur Kontrolle. Zu unserem Hausarzt wollte ich nicht mehr, da er kaum zuhörte, alles sofort in die Psychoecke schob und selbst ein Blutbild zur Kontrolle nur ungern machte. Ein großes Vorsorge Blutbild wurde nie gemacht. Micha und ich waren uns einig, ein neuen Hausarzt suchen. Gesagt getan.
Das erste was unsere neue Hausärztin machte, Fragen stellen, Befunde anfordern und ein großes Blut- und Urin- Bild. Das Ergebnis der Blutuntersuchung bei Michael erschreckte uns beide heftigst.
Blutbild sagt: PSA-Werte sind viel zu hoch
Das Blutbild hatte ergeben, dass Michaels PSA (Prostata) - Werte viel zu hoch waren. Besorgniserregend hoch.
Die Ärztin besprach mit Michael wie sie weiter verfahren wollte. Es wurde ein Biopsie - Termin gemacht und eine weitere Blutkontrolle der PSA-Werte vereinbart. Wenn diese wieder so hoch sind, dann würde sofort eine Biopsie gemacht. Darüber sprachen wir beide kurz. Michael ruhig und besonnen. Wir vereinbarten mit niemandem darüber zu sprechen. Das hieß für mich, mit dieser Bombe leben und nirgends darüber sprechen oder schreiben können bzw. über meine Angst die in mir nun Amok lief. Das ganze Thema wurde "abgehakt" und totgeschwiegen.
Die PSA-Diagnose riss mich aus meinem Sein. Prostatakrebs, die Haupttodesursache bei Männern. Prostatakrebs hat erst vor ein paar Jahren meinen Vater sterben lassen. Ich habe es oft bei meinen Senioren (Arbeit) erlebt oder gehört. Ja, ich habe schon öfter darüber nachgedacht, wann es Michael trifft, weil er ja nun in diesem Alter ist. Horror-Gedanken, die mich jagen, die ich verschweige.
Eine Woche lang, fragte ich immer wieder Onkel Google. PSA-Werte und Biopsien werden unterschiedlich diskutiert. PSA-Werte können erhöht sein, weil sie ein gutartiges oder bösartiges Geschwür anzeigen. Es gibt noch andere Untersuchungen, die mehr Klarheit bringen, vor einer Biopsie.
Totschweigen ist Psychoterror
Die Gedanken darüber in mir und dieses Schweigen machen mich verrückt. Ich kann es nicht abhaken und ich will es nicht totschweigen. Nein, zu oft hatte ich diese Erfahrungen gemacht, es wird so lange totgeschwiegen, bis die Bombe platzt. Oh nein, nicht schon wieder. Totschweigen ist Psychoterror. Meine Angst, gibt es schon lange. Die Angst Michael zu verlieren. Ohne Michael leben zu müssen. Er war so viel älter und Männer sterben ja meistens früher. Nein, ich wollte nicht nach Michael sterben. Michael lachte stets und sagte immer: bis 85 Jahre habe ich geplant, dann sehen wir weiter. Irgendwie hielt ich mich daran fest. Da waren ja auch noch meine Selbstvorwürfe, meine Leistungseinschränkungen durch die Depression. Nicht gut genug zu sein. Irgendwann würde Michael die Nase voll haben. Meine Verlustangst ist Teil meines Lebens, auch wenn ich sie bisher gut meistern kann.
Was denkt und fühlt Michael? Warum spricht er nicht mit mir? Wollte er es, wie damals, allein durchkämpfen? Ich spürte, dass auch er Angst hatte, doch es herrschte Stille. Michael war gereizt, hörte mir überhaupt nicht zu, blaffte mich an. Nein, ich konnte und wollte diese Erfahrung von damals nicht wiederholen. Es war damals schon die Hölle und der letzte Tropfen im Fass. Nein, ich kann nicht wieder still zusehen. Nein, ich kann nicht wieder mit meiner Angst allein sein. Nein, ich kann nicht totschweigen und abhaken. Ich habe gerade überhaupt keine Halt. So geht es nicht. Ich kann es nicht. Ich will es nicht! Ich bin nicht stark genug dafür. Dann bin ich eher Tod wie Michael.
Es platzte aus mir raus. Meine Angst, ließ mir keine andere Wahl. Ich musste darüber sprechen und darüber, dass es so nicht geht. Natürlich hat Michael Angst und ja auch ihn hat es umgehauen. Aber er kann es wegschieben oder abhaken, damit er nicht durchdreht. Er hat auch Angst um mich. Er sieht wie ich mich quäle. Neben mir stehe. Unser Stillschweigen wurde beendet. Nein, er möchte die Fehler von damals, nicht wiederholen. "Mein Sonnenschein, du musst auf dich aufpassen, ich möchte nicht dass du verrückt wirst. Wlr werden miteinander reden."
ANGST
Ich habe riesige Angst. Nein, er muss nicht gleich sterben. Ja, es könnte auch gutartig sein. Doch wie wird es sein, wenn es Krebs ist, Michael krank ist und Hilfe braucht. Wie soll das gehen? Ich schaffe es nicht. Ich kann ja nicht mal richtig für mich selbst sorgen. Zusehen wie er sich quält, wie er leidet ...
Noch einmal so wie damals leben müssen, sehen wie Michael kämpft aber krank ist, Hilfe verweigert, wortlos allein seinen Weg geht, mich einfach im dunklen Wald stehen lässt, mich überhaupt nicht mitnimmt, mich völlig ignoriert, mich mit allem allein lässt ... Nein, ich kann es nicht und ich habe Horror-Angst davor, dass es wieder so sein wird. Männer sind anders krank. Männer reden nicht. ... Was das mit den Frauen macht, erzählt niemand, weil es niemand weiß oder interessiert. Angst, Hilflosigkeit, Machtlosigkeit und Überforderung geben sich die Hand. Sie machen mich wahnsinnig. Das ist keine Liebe. Liebe ist, in guten wie in schlechten Zeiten miteinander gehen. Das heißt Gefühl, Kommunikation und Zuwendung im Geben und Nehmen.
Bitte wir möchten noch so viel erleben. Das kann es noch nicht gewesen sein. Irgendwie werde ich den Gedanken nicht los, immer dann wenn ich/wir Luftholen - es uns gut geht - darf das nicht sein. Genau dann fällt eine Bombe in mein Leben.
Bitte, ich möchte Michael nicht verlieren. Ohne ihn, macht mein Leben keinen Sinn.