Leben so gut ich kann. "Hey du bist ganz schön aktiv! Du hast viel geleistet. Kannst du es spüren?"- Ein Perspektiv-Wechsel

Kannst du es spüren? Ein Perspektiv-Wechsel

Als ich die Gedanken von Carola las, um diesen Blog zu beginnen, fiel mir dieses Foto ein. Ich habe es erst vor ein paar Tagen im Christmas Garden Pillnitz gemacht. Mich hat dabei das Spiel von Licht und Schatten inspiriert. Jetzt aber kam mir der Gedanke, dass es ein wundervolles Sinnbild zu meinem Perspektiv-Wechsel ist, denn ich sollte den Stern der über mir leuchtet niemals vergessen. Es gibt immer ein Licht das auf mich scheint, selbst wenn die Welt um mich herum, für mich, im Dunkel versinkt.

 

Mein gestern geschriebener Blog (siehe Link) hat Carola bewegt, mir folgende Zeilen zu schreiben:

"Liebe Heike,

ich habe gerade den aktuellsten Beitrag in Deinem Blog gelesen.

Weißt Du eigentlich, dass Du allen Grund hast, stolz auf Dich und all das zu sein, was Du gemeistert hast in der zurückliegenden Zeit? Kannst Du es spüren? Ich hoffe es und wünsche es Dir sehr! Bitte versuche, Dich selbst weniger unter Druck zu setzen."

 

Vielleicht hilft dir ein Perspektiv-Wechsel

"Vielleicht hilft Dir dabei ab und zu ein "Perspektiv-Wechsel": Stell Dir einfach vor, jemand erzählt Dir all das, was Du erlebst und dann frage Dich, was Du demjenigen für ein Feedback geben würdest. Ich bin mir sehr sicher, dass Du spätestens bei der langen Liste der Aktivitäten, die Du im Beitrag aufgeführt hast, sagen würdest: "Hey, du bist sehr wohl aktiv..." Die Müdigkeit darf sein, Heike. Du darfst Dich ausruhen, auftanken. Akzeptiere es und mache es Dir bitte, bitte nicht zum Vorwurf! Dafür gibt es keinen Grund. 

Danke für Deine lieben Worte über mich und den Hinweis zu meiner Homepage! Das hat mich echt gefreut.

Ich wünsche Dir für die kommenden Tage viel Raum und Zeit für... NICHTS...für DICH...für Dich und Deinen Mann...für alles, was Dir gut tut und wichtig ist! Pass gut auf Dich auf und sei ganz lieb gegrüßt Carola"

Ihre Worte haben mich kalt erwischt, weil ich erkannte wie viel Druck ich gerade wieder aufgebaut hatte und wie wenig Mitgefühl ich mit mir selbst habe. Nun versuche ich über den oben genannten Perspektiv-Wechsel, mir selbst bewusst zu machen, warum es mir gerade geht, wie es mir geht. 

Fühle mit dir selbst, erinnere dich ...

Liebe Heike,

ich bin es, deine beste Freundin, tief in dir verborgen. Ich habe deine Worte von gestern gehört und gefühlt. Ich bin tief gerührt und ich weiß nicht warum du mit dir haderst, ja mit dir selbst so hart umspringst. Du bist eine starke Frau, auch dann, wenn du müde und kraftlos bist. Du hast im vergangenen Jahr so vieles erleben und erfahren müssen, so schmerzliche und so gute Eindrücke aufgenommen und du hast es geschafft! Ja, geschafft. Du bist noch da und du gibst nicht auf.

 

Du hast 12 super anstrengende Wochen Traumaklinik, inkl. Traumakonfrontation, gemeistert. Weißt du noch? Fühlst du noch wie glücklich du warst? Du hast jetzt eine gute Verbindung zu deinem Engel, kannst dich wieder an ihr Lächeln erinnern. Es war nicht einfach und du hast alle Kraft dafür eingesetzt. Hast du das vergessen. Nein, ich weiß es. So was vergisst du nicht.

 

Voller Energie hast du danach, endlich Vorsorge-Termine bei Ärzten gemacht und wahrgenommen. Nein, niemand konnte ahnen was aus einem Blutbild für eine schreckliche Diagnose auf deinen Mann, so wie auf dich, nieder prasselte. Aber dir und deinem Willen eine neue Hausärztin zu suchen, ist es zu verdanken, dass diese Diagnose frühzeitig genug kam. Frühzeitig genug, dass ihr Beide gemeinsam Informationen sammeln konntet und euren Diagnoseweg wählen konntet. Gemeinsam habt ihr entschieden, alle Befund-Möglichkeiten zu nutzen. Gemeinsam habt ihr entschieden welchen Weg ihr geht, bis zur Operation. Ihr habt gemeinsam die Zeit der Diagnostik, Operation und Reha gemeistert, all die Angst. All die Angst, die dir alles abverlangte und all deine Energie brauchte.

 

Erinnerst du dich wie hart die Operation auch für dich war. Deine Angst wuchs schon, in einer dicken Eiche, oben aus deinem Kopf heraus. Trotzdem hast du es geschafft, nach der Operation auf die Intensivstation zu fahren. Du hast es geschafft, ohne dass du auf der Straße dissoziiert bist. Du hast es geschafft, dich aus einer Panikattacke, vor dem Patientenzimmer, selbst zu regulieren und wirklich hinein zu gehen. Du hast geschafft zu sehen, dass es deinem Mann gut geht und er lebt. Du hast dich deinem Trauma gestellt. GANZ ALLEIN! 

Du hast diese grausame Woche, ohne therapeutische oder ärztliche Hilfe, durchgestanden! Du hast nicht aufgegeben, trotz deiner Ängste und Nöte, trotzdem dich deine Familie allein gelassen hat. Du warst mutterseelen allein und hast überlebt! Wow!

 

Erinnerst du dich an die Zeit, nach der Operation? Endlich war dein Mann zu Hause. Doch Katheter, Operationsnarbe und Pflegedienst haben dir zugesetzt. Du warst nicht in der Lage, diese Spritze zu setzen oder die Narbe anzuschauen. Dir war schlecht vor Angst. Du hast dich an den Pflegedienst gewöhnt und konntest am Ende sogar die Spritze anfassen. Du hast  ausgehalten, dass dein Mann mit der Inkontinenz heftig haderte und sich selbst nicht leiden konnte. Du hast klare Worte an ihn gerichtet, weiß du noch. Du hast in dieser Zeit den Alltag gemeistert, warst für deinen Mann da und gemeinsam habt ihr Veränderungen vorgenommen, die notwendig waren. Du hast es gemeistert!

 

Erinnerst du dich, an die Zeit der Reha? Wie viel Energie du hattest, weil du voller Freude warst, über jeden Anruf, jede Whatsapp und jeden Sticker von deinem Mann. Wie du, für ihn, schöne Dinge vorbereitet hast. All seine alten Fotos sortiert und in ein Album geklebt hast? Du hast alles geschafft und die Freude war groß als er nach 6 Wochen wieder daheim war. Sechs Wochen hast du allein gemeistert! Du bist nicht verhungert und die Wohnung sah nicht aus wie ein Schlachtfeld! Wow!

 

Das war Mitte November. Das war 6 Wochen vor Weihnachten. Am ersten Wochenende danach war die Tochter mit Enkelin, aus Potsdam, in Dresden. Dann warst du ein Wochenende in Guben, beim Geburtstag der Enkelkinder - sogar mit im Kino. Am 1. Advent war dein Sohn in Dresden. Am 3. Advent war die Tochter mit Enkelsohn, aus Guben, in Dresden. Zwischendurch warst du in Seiffen, auf dem Striezelmarkt und im Christmas Garden Pillnitz. Was möchtest du noch? Dein Programm war der Wahnsinn. Doch du haderst mit dir und bist inaktiv? Du bist wohl eher hyperaktiv, denn das Programm hätte ich nicht geschafft. Ich bin deine beste Freundin und du kannst mir glauben!

 

Erkenntnisse - Es ist Zeit für Nichts & Ruhe

Ja, ich darf jetzt müde und kraftlos sein. Ich kann froh sein, dass ich nicht völlig zusammen gebrochen bin, unter der Menge an Energie, die auf mich einstürzte und die ich aufwenden musste, um all die guten und schlechten Erlebnisse zu meistern. Ich brauche für alles, von Alltagsaufgaben, Päckchen packen, Wichteln, Ergotherapien, Besuch bekommen und zu Besuch fahren, Weihnachtsmärkte ... eine Energiereserven. Das mache ich, obwohl mir sehr bewusst ist, dass ich müde und kraftlos bin. Meine Energiereserven, die es gar nicht gibt, sind aufgebraucht.

 

Es ist Weihnachtszeit.

 

Damit ist völlig klar, dass irgendwann der gesamte Körper streikt. Er kann einfach nicht mehr. Körper, Herz und Seele sind maßlos überfordert, mit all dem was da zu bewältigen war. Es war ein Marathon mit angezogener Handbremse. Da ist klar, dass ich mich nur noch nach RUHE und NICHTS sehne. Das Gefühl habe, in einem völlig überspanntem Gummiband, dass mich ausbremst, unterwegs zu sein. Kein Wunder, dass selbst Ergotherapie und Blog-schreiben keine Freude mehr bringt bzw. nicht möglich ist. 

 

Mein Körper braucht Ruhe und bekommt sie nicht. Immer ist etwas und immer ... 

 

Auch heute, wo ich endlich wieder einmal bei mir bin, steht etwas an. Oder habe ich einfach nur in den Funktionsmodus geschaltet um nicht abzusagen? Heute gehen wir mit unseren unglaublichen Nachbarn essen. Wir hatten es ihnen geschenkt, als Dankeschön für die Hilfe in der Operationswoche. Ich freue mich sehr darauf und doch bin ich unendlich müde und kraftlos. NICHTS und Ruhe sind anstrengend.

 

DANKE liebe Heike, dass du mir bewusst gemacht hast, wie stark und Leistungsfähig ist doch bin. Aber auch dafür, dass mir bewusst wird, dass ich mich seit Wochen selbst ignoriere und überfordere. Nein, ich fange jetzt nicht wieder an, mich selbst zu bestrafen. Es ist nur gut, es zu bemerken. Das heißt, ich lerne dazu. Schritt für Schritt, auch wenn ich dabei manchmal Rückwärts gehe. 

 

Ich darf müde und kraftlos sein. Ich darf mir Zeit für RUHE & NICHTS nehmen.